Alltagsdeutsch „Schwäbisch“

eckarpromenade in der schwäbischen Stadt Tübingen  Neckarpromenade in der schwäbischen Stadt Tübingen

Gebildet, fleißig und sparsam - die Schwaben.

Deutsche-Welle-Dialektatlas VIII

"Schwäbisch"

  • O-Ton: Vox-Pops: "Für mi schwäbisch isch Heimat. Vor allem, des is für mi des wichtigschte. Und natürlich der Fleiß von de Schwabe, was hamm wer noch, Kehrwoch, was so gibt, Gründlichkeit, des is alles schwäbisch – Schwabe sind schaffig mit ihrer Kehrwoch, des stimmt, weil des gibt’s wahrscheinlich nirgendwo sonst auf der Welt."
  • O-Ton: Gabriele Girrbach "Also was ich auch nicht kannte, dass Samstag überall die Straßen gefegt werden. Und die Gärten sind meistens hier super ordentlich und aufgeräumt und schön, aber du siehst hier nie abends jemanden richtig schön im Garten sitzen. Das ist mir eigentlich so aufgefallen."

Sprecher: Ja, bei uns wird halt was gschafft und net rumghockt! Aber des kann so a Reigschmeckte von Nordrhein-Westfalen natürlich nicht verstehen. Aber die Gabriele Girrbach lebt ja nun auch schon 15 Jahre bei uns in Süddeutschland und hat die Schwaben schon kennen gelernt. Sie ist ja auch mit nem echte Schwob verheiratet. Mmh, bei dene da riechst aber gut. (brutzeln aus der Pfanne drunter...) Bratkartoffle, lecker. - Da kommt auch schon ihr Mann, der Reinhard Girrbach heim:

  • O-Ton: Reinhard Girrbach "Grüss Gottle" (schmatz,Kuß)

Sprecher: Und scho stehts Esse uff‘m Tisch ...

Atmo: Geschirrklappern am Esstisch

  • O-Ton: Reinhard Girrbach: "Des isch typisch schwäbisch... Biblerleskäs mit Bratkartoffle."

Sprecher: Jawohl, genauso wie Maultaschen oder Mautäschle, schwäbischer Kartoffelsalat, ein rechter Rostbraten und natürlich Spätzle, handgschabt - isch doch klar...

  • O-Töne: Gabriele Girrbach: "Wir haben eine Oma, die schon über 90 ist und die hat uns dann, wie nennt man das Buben, buben... "Bubespitzle"

Reinhard: "... Bubenspitz oder hausgemachten schwäbischen Kartofellsalat serviert und war dann immer ganz happy, wenn wir gekommen sind und haben das dann gelobt. Also ich habe die Sachen ein bisschen übernommen, aber ich behaupte nicht das ich schwäbisch kochen kann."

Sprecher: Zum Glück hat der Reinhard Girrbach ja noch sei Oma. Denn s Esse ist uns Schwabe ja scho wichtig:

  • O-Ton: Gabriele Girrbach: "Wenn wir mit Bekannten wandern gegangen sind, und wir sind irgendwo eingekehrt, wurde erst immer besprochen, wie das Essen jetzt angemacht ist und ob der Wurstsalat sauer genug ist. Oder ob die Spätzle hausgemacht sind, und das waren so Dinge, die waren mir völlig fremd, da habe ich nie drauf geachtet vorher."

Sprecher: Und des war nicht das einzige, was ihr völlig fremd war. Ich selber kann des zwar nicht verstehen, aber Fremde hen scho oft Probleme, uns zu verstehen. Mir schwätze halt schwäbisch. Und des überall und jeder be uns im Ländle.

Einspielung: Lied Kinder singen: "Schiffle auf m blauen See, hascht du für mi koi Sitzplätze me..."

Sprecher: Und natürlich lerne des au scho die Kinder, bei Gabriele Girrbach im Kindergarten.

Einspielung: Lied Kinder singen: "Schiffle auf m blauen See, hascht du für mi koi Sitzplätze me..."

Sprecher: Des Schiffle uffm blaue See, des isch natürlich der Bodensee. Des Lied findet die Gaby, die wo im Kindergarten schaffte, schrecklich. Seit sie hier ist singet sie auch scho nimmer uffm See, .........sondern auf m See. Aber sonst schwätzet alle weiter no richtig schwäbisch:

  • O-Ton: Gabriele Girrbach: "Es fing damit an, dass ich gerade drei Monate im Kindergarten war, dass ein Kind zu mir kam und sagte‚ ‚Gabi ich muss ne Rolle machen‘. Und ich habe den ganz entsetzt angeguckt und habe gedacht, was will der machen, will der jetzt hier nen Überschlag machen oder was will der hier turnen? Bis ich dann dahinter kam, dass das heißt ‚ich muss zur Toilette oder ich muss Pipi machen’."

Sprecher: Hochdeutsch Pipi, schwäbisch halt Rolle. Aber au die Kinder hens net immer leicht und verstandet Gabi net immer:

  • O-Ton: Kind: "Die Gabi spricht anderscht als Petra!
  • O-Ton: Gabriele Girrbach: "Ja, da gab es die Situation, dass ich sagte, so wir fassen uns jetzt an und wir gehen in Zweier-Reihen und nichts funktionierte. Und dann hörte ich wie eine Kollegin sagte, jetzt hebt Euch. Und standen die Kinder wie ne Eins in der Reihe."
  • O-Ton: Kind: "Mir feget hier!"
  • O-Ton: Kind beim Fegen: "Gell hier sieht es wie ? aus."

Sprecher: Hört sich das net schö an, wenn die Kleine wie die Große schwätze....

  • O-Ton: Kind: "...die hat ne Freundin, die heißt ehm irgendson komischer Name... "

Sprecher: Mit dem Besen in der Hand über andere Leut tratsche. Man muss eben hier aufgwachse sei, um richtig schwäbisch zu könne. Aber heutzutag gibt’s ja scho im Internet Websites, die schwäbisch erkläre.

  • O-Ton: Arno Ruoff: "‘Schwäbische Linguistik‘ ist Klasse, ..aus dem Internet lesen wir: ‚Man benutzt in vielen Fällen o statt a.‘ Und zwar dort wo es sich um das mittelhochdeutsche lange a handelt. Also Schlaf der wird zu Schlof, aber ...Schaffe bleibt Schaffe und wird net schoffe.

Sprecher: Und schaffe bleibt vor allen Dingen anstrengend, vor allem wenn man pep dran na muss, habt ihr des id verstande. Also pep dran nah, heißt, wenn man hart arbeiten muss.

  • O-Ton: Arno Ruoff: "Statt eu benutzt man ei oder oi. Ja, aber was von beiden? Also breit wird zu breut."

Sprecher: Der Professor Arno Ruoff , der wo früher auch an der Uni Tübingen gelehrt hat, der kennt sich richtig gut aus mit unserer Sprach. Ist ja auch ein Schwabe. Jetzt gugge mir mal was der Studierte im Internet zu dene Regeln findet.

  • O-Ton: Arno Ruoff: "Schwäbische Regeln sind ein bisschen anders als

Hochdeutsch Präsens: Ich mache = I mach

Perfekt: Ich habe gemacht = i han gmacht

Ich hatte gemacht = i han gmacht khedd, das ist gut ha, des ist der erste gescheide Satz. Plusquamperfekt wird als doppeltes Perfekt i han gmacht khedd. Futur: ich werde machen = ich mach jetzt oder jetzt fang i zu macha on, des sagt au koi sau, ich werde machen, i mach des heißt also, Futur ...sagt man des Präsens oder jetzt fang i a zu machet oder irgend sowas, ich fange jetzt an zu machen. I fang jetzt a zu mache."

Sprecher: Halt, halt, halt e mal. Jetzt geht es aber zu schnell. Jetzt fang ich aber an, gleich nix mehr zu verstande. I han ja gar net wußt, das unser Schwäbisch so kompliziert isch. Des Futur hat bei uns aber auch eine andere Bedeutung als nur eine zeitliche:

  • O-Ton: Arno Ruoff: "Das heißt man drückt eine Vermutung aus. Oder Futur 2 Du wirscht n g’ärgert han. Der hat mi gschlage, ha du wisch n g’ärgert han. Also Future gibt es, aber in einer anderen Funktion."

Sprecher: Grammatik und gschwätztes Schwäbisch, da überlegt man eigentlich gar net so. Ha jetzt müsse mir mal raus aus dem Internet, des kost ja au Geld.

  • O-Ton: Gabriele Girrbach: "oder Feuerwehr-Hocketse, ich habe dieses Wort und ich dachte ‚Hocketse‘, was ist das denn? Allein dieses Wort schon, war ein Phänomen. Bis ich dann dahinter gekommen bin, dass ‚hocketse‘ da hocket’se, also da sitzen sie heißt."
  • O-Ton: Ehepaar Girrbach im Wechsel: "Ein Schimpfwort im Schwäbischen ist zum Beispiel, wenn man sagt, es ist a Bämull. – Jemand ist ne Träne.

Kruschtel – jemand verkruschtelt sich, kommt nicht voran.

  • O-Ton: Arno Ruoff: "In den Pflanzennamen finden Sie noch viele Mundartwörter, der Löwenzahn heißt Bettsaicher, weil er den Harndrang anregt, wenn man ihn als Tee trinkt"
  • O-Ton: Ehepaar Girrbach im Wechsel: "Sengerissel, – das sind Brennnessel, Sengrissel - Krumbiere...."

Sprecher: Krumbiere, des sin schwäbisch Kartoffeln, so wie Breschtlinge halt Erdbeeren sind.

  • O-Ton: Reinhard Girrbach: "wobei der Dialekt von Ort zu Ort schon sich unterscheide kann."
  • O-Ton: Arno Ruoff: "Und es gibt sehr krasse Unterschiede, zum Beispiel ist die stärkste Sprachgrenze zwischen Tübingen und seinem seit Jahrzehnten eingemeindeten Vorort Hirschau. In Tübingen sagt man broit und in Hirschau sagt man breut, also das westschwäbische oi und das mittelschwäbische eu, man weiß trotzdem, dass das Wort in der Standardsprache breit heißt."

Sprecher: Die Sprachgrenzen verlaufen heute da, wo einmal die alten Stammesherzogtümer waren. Später hat es dann das Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg gebe. Und Württemberger, das sind wir Schwaben.

Baden-Württemberg gibt es erst seit gut 50 Jahren. Des hen se nach em zweite Weltkrieg zu einem Bundesland quasi zsammengelegt. "Badenser" und "Sau-Schwabe", so hem mir uns gegenseitig beschimpft. Aber heutzutag ist des aber eigentlich nur noch Schau.

  • O-Ton: Prof. Hermann Bausinger: "Interessanter Weise reden am meisten die Badener über die Schwaben. Die gar nicht soweit weg sind von den Schwaben und die eigentlich in vielem so ganz ähnlich sind. Und da wird hervorgehoben die Sparsamkeit der Schwaben, manchmal gesteigert bis zum Geiz."

Sprecher: Und des sagt ein Schwabe. Aber als Volkskundler hat sich der Prof. Hermann Bausinger scho gut mit uns Schwabe und unserer Eigenheiten befasst. Und es stimmt scho: Mir achte einfach mehr uffs Geld, als andere Leute. Mir halte unsere Sach eben zsamme.

  • O-Ton: Prof. Hermann Bausinger: "Das hat vor allem historische Gründe. Schwaben war ein verhältnismäßig armes Gebiet, es gab lauter kleine Bauern. Das hat dazu geführt, dass alles ausgenutzt werden musste. Und daraus ist auch eine gewisse Sparsamkeit und ein sehr vorsichtiger Umgang mit Ressourcen entstanden."
  • O-Ton: Reinhard Girrbach: "Jeder ist bemüht mit 40 Jahren ein Häusle zu haben oder mindestens eine Eigentumswohnung, das ist das Ziel von jedem Schwabe, das hat nichts mit Geiz zu tun, sondern im Alter vorgesorgt zu haben."

Sprecher: So isch s! Und vor zehn Jahren habe die Girrbachs dann auch eine Eigentumswohnung gekauft.

Im Ländle is ja auch schön. Viel Natur und Grün. Im Sommer gibt’s noch richtig Sonne, die man an vielen Seen beim Baden genießen kann und Winter hats noch richtig Schnee, da kann man gscheid Ski fahre, vor allem auf der Alb. Koi Wunder, dass auch immer mehr Ausländer zu uns komme.

  • O-Ton: Sung Yoon Park: "Was mir aufgefallen ist, sind die Worte wie Noi oder Ha Noi oder gell."

Sprecher: Sung Yoon Park macht nicht nur Urlaub bei uns. Sie kommt aus Südkorea und hat da Deutsch gelernt. Jetzt studiert sie in Tübingen, Kulturwissenschaft und Ethnologie oder so ebbes. Da hat sie auch eine Arbeit drüber gschriebe, wie Ausländer mit unserm Dialekt umgehen.

  • O-Ton: Sung Yoon Park: "Ein Koreaner ist nach Deutschland ohne Ahnung über Dialekt gekommen, und nachdem er nach Deutschland gekommen ist, zwei Wochen später, konnte er in einem Altenheim arbeiten. Seine Aufgabe ist, ein Frau ... zu füttern. Und einmal hat diese Dame immer weiter gesagt noi noi noi... Und er war beim Füttern ganz fleißig und die Dame hat immer noch noi noi gesagt."

Sprecher: Noi. Noi heißt aber Nein. Die alte Frau wird auf jeden Fall mal wieder richtig satt gewesen. Aber des wird der Kerle dann auch irgendwann verstanden haben.

  • O-ton: Vox-Pops: "Wenn man jetzt mit andere Leut spricht, die woanders herkomme, da muss ma sich schon an bissle anstrenge. - I schwätz bloß schwäbisch, i kann gar nichts anders. - Des ghört einfach zu uns, schwäbisch ist eigentlich ein schöner Dialekt!"

Sprecher: Aber für uns Schwobe isch des Schwäbische mehr als nur ein Dialekt, und des weiß au der Prof. Ruoff:

  • O-Ton: Prof. Arno Ruoff: "Man kann sich abgrenzen von den anderen, man ist daheim in der Mundart. Und früher gab es da sehr viele Identifikationsmöglichkeiten, die Dörfer waren landschaftsweise unterschiedlich angelegt und die Häuser sahen anders aus und die Trachten sahen anders aus und man hat anders gegessen, aber das alles, all diese Unterschiede sind weg, worin man sich heute noch unterscheidet, ist eigentlich nur die Sprache. Daher legt man da vielleicht stärker Wert drauf, auf die Erhaltung des Dialekts. Ganz unbewusst."

Sprecher: Also mir schwätzet scho ganz bewusst so. Warum auch net? Bei uns braucht man nicht Hochdeutsch zu reden. Gell, Prof. Bausinger:

  • O-Ton: Prof. Hermann Bausinger: "Wobei es ja so ist, dass vom Schwäbischen zur Hochsprache ein fließender Übergang ist. Man kann also erleben, dass wenn jemand nach einer Auskunft fragt, wo geht’s hier zum Bahnhof, dass der Betreffende, eine Frau oder ein Mann, in verhältnismäßigem gehobenen Umgangsschwäbisch Auskunft gibt und zufällig trifft man die Leute dann nachher in einer Metzgerei oder Gasthaus und merkt , dass der ein ganz ganz breites Schwäbisch noch im Ortsdialekt spricht."
  • O-Ton: Vox-Pops: "Die Schwaben können ja alles außer Hochdeutsch. Hört sich als Schwabe immer komisch an, wenn man versucht hochdeutsch zu sprechen. - Schwätze wie der Schnabel gwachse is - Jeder, wer da meint er muss hochdeutsch rede, .. das hört sich noch blöder an, als wenn man Schwäbisch schwätzt, find i, und i bin ein Schwab - das hört man sowieso."

Musik: "Muss I denn zum Städtle hinaus und du mein Schatz bleibst hier ...

Sprecher: Bleibst hier, der hat au nie richtig schwäbisch schwätze glernt. Aber isch au koi Wunder, der war ja nur kurz als Soldat bei uns. Der hat ja nie glernt richtig spare, der hat nie eine Kerwoch ket und der war wahrscheinlich auch nie auf der Hocketse, also nem richtig schöne schwäbische Fescht.

Musik: "Muss I denn zum Städtle hinaus und du mein Schatz bleibst hier ...

Janine Albrecht

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Janine Albrecht | www.dw-world.de | © Deutsche Welle.