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Suzanne Cords | www.dw-world.de | © Deutsche Welle.

Alltagsdeutsch (26/04) 29.06.2004 "Sommer"

Sommer

"Es ist sehr heiß.

Leise rieselt der Schweiß.

Sogar die Lerche,

sonst kaum zu zügeln,

flattert ganz langsam:

sie schwitzt unter den Flügeln.

Und auch die Schwalbe

fliegt nur die halbe

Geschwindigkeit in der Stunde.

In aller Munde

ist dieses Lied:

Leise rieselt der Schweiß –

es ist so heiß!"

(Zitat / Heinz Erhardt)

Meister Sommer: "Man kann es auch niemandem recht machen. Kaum schicke ich den Menschen Frau Sonne vorbei, stöhnen sie auch schon. Aber mein Markenzeichen ist nun mal die Hitze und strahlender Sonnenschein. Gestatten, mein Name ist Sommer, Meister Sommer, und ich bin ja auch wirklich ein Meister meines Fachs. Ich muss ausbügeln, was die anderen Jahreszeiten verbockt haben. Die Menschen mögen es nämlich gar nicht, wenn es immer nur nass und kalt ist, daher arbeite ich eng mit Frau Sonne zusammen. Und obwohl ich mir soviel Mühe gebe, muss man sich noch dumme Sprüche anhören. Wissen Sie, wie dieser Dichter Heinrich Heine, ein ganz unverschämter Kerl, mich verunglimpft hat?!"

"Unser deutscher Sommer ist nur ein grün angestrichener Winter."

(Zitat / Heinrich Heine)

Meister Sommer: "Der Kerl hat es sich aber gründlich mit mir verscherzt! Der soll mich noch mal um gut Wetter bitten! Da höre ich mir doch lieber mal an, was die Leute über mich denken, die dort am Flussufer liegen. Da kann ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Menschen mit Sonnenschein verwöhnen und etwas über mich erfahren."

Sprecherin: Während Meister Sommer lauscht, hoffen wir, dass wir es uns nicht mit ihm verscherzen, dass wir ihn nicht verärgern. Wenn man es sich erst mal mit jemandem verscherzt hat, ist es gar nicht so einfach, den Fehler wieder auszubügeln, die Sache wieder in Ordnung zu bringen – so wie man die Falten eines verknitterten Hemdes mit dem Bügeleisen beseitigt.

Als Meister seines Fachs, also als einer der Besten auf seinem Gebiet, will Meister Sommer natürlich die ihm gebührende Anerkennung – und keinesfalls verunglimpft werden. Wer jemanden verunglimpft, der erzählt schlechte und vor allem falsche Dinge über ihn. Und wer etwas verbockt, beziehungsweise wer einen Bock schießt, der begeht einen Fehler oder eine Dummheit. Diese Redewendung leitet sich vom Scheibenschießen beim Schützenfest ab. Früher nannte man einen Fehlschuss nämlich Bock. Wenn man also etwas verbockt hat, dann sollte man um gut Wetter bitten oder um Schönwetter bitten, um Nachsicht bitten. Sonst herrscht nämlich echte Gewitterstimmung, die Stimmung ist denkbar schlecht.

Kaum zu zügeln heißt, dass jemand kaum zu bremsen ist. Dieser Ausdruck spielt auf das temperamentvolle Pferd an, das sich vom Zügel schwer bändigen lässt. Wenn man zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt, erfüllt man mit nur einer Handlung einen doppelten Zweck – genauso wie man mit einer Fliegenklatsche zwei Fliegen auf einen Streich erledigt. Sieben auf einen Streich war übrigens das Markenzeichen des tapferen Schneiderleins aus Grimms Märchen, eben die Eigenschaft, die ihn auszeichnete. Er hatte zwar nur sieben Fliegen auf einmal erschlagen, aber er ließ seine Mitmenschen im Glauben, es seien sieben Spitzbuben gewesen, und so genoss er großen Respekt.

Meister Sommer: "Ach, da kommt ja Frau Mücke. Einen wunderschönen Sommertag wünsche ich Ihnen."

Frau Mücke: "Guten Tag, Meister Sommer. Ist das eine Bullenhitze heute! Und ich bin schon wieder aufs Übelste beschimpft worden."

  • O-Ton: "Du Mistvieh, ich mach’ dich platt."

Frau Mücke: "Da bin ich gerade noch mal mit Müh und Not entkommen. Hat diese dumme Kuh denn nicht hingehört? Es heißt: zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nicht zwei Mücken!"

Meister Sommer: "Jetzt machen Sie mal nicht gleich aus einer Mücke einen Elefanten. Sie sind diese Behandlung doch gewohnt. Warum müssen sie auch immer das Blut der Menschen absaugen? Ist doch klar, dass die ihnen dann die Hölle heißmachen. Ich hingegen habe gerade ein paar Komplimente eingeheimst."

  • O-Ton: "Sommer bedeutet für mich leichte Klamotten, keine engen Schuhe mehr, Freiheit für die Füße, schwimmen gehen, Erdbeeren essen, Eis essen, leben, lange hell, blauer Himmel, schönen kalten Wein trinken." / "Sommer ist für mich mal aus der Tretmühle rauskommen, Urlaub zu haben, lange zu schlafen." / "Im Sommer sind bei uns immer ganz viele Kinder im Garten, und dann geht’s meistens zu wie im Tollhaus, und zum Sommer fällt mir natürlich Grillen und Feuermachen ein und dass die Frösche bei uns hinten im Garten immer quaken."
  • O-Ton: "Sommer ist Sonne, Sommer ist für mich einfach am Fluss sitzen, Landschaft gucken, die Seele baumeln lassen." / "Dass es schön warm ist, dass man im Baggerloch oder im See schwimmen gehen kann." / "Ich hab keine kalten Füße, keine kalte Nase." / "Zum Sommer fällt mir ein, dass die Sonne einen schon morgens früh begrüßt, so Morgenstund’ hat Gold im Mund." / "Also Sommerferien, das ist cool, dass man da nicht in die Schule gehen muss." /"Sommer ist für mich nur eins: relaxen." / "Ich liebe den Sommer."

Sprecherin: Kein Wunder, dass Meister Sommer sich geschmeichelt fühlt. Er heimst Komplimente ein, man spricht gut über ihn. Ihm zuliebe stehen viele Leute sogar gerne früh auf. Morgenstund’ hat Gold im Mund, sagt ein altes Sprichwort. Andere hingegen sind froh, ausschlafen zu können, weil sie Urlaub haben und mal aus der Tretmühle raus kommen. Sie lassen den Alltagstrott hinter sich. In der Tretmühle tritt man immer auf derselben Stelle des Rades, doch den Erfolg seiner Anstrengungen merkt man nicht. Dann doch lieber die Seele baumeln lassen - einfach mal nichts tun und ausruhen oder relaxen, ein Wort, das aus dem Englischen übernommen wurde und mittlerweile eingedeutscht ist.

Aus der Jugendsprache stammt: Ich mach’ dich platt. Das bedeutet: Ich mach’ dich fertig, vielleicht bringe ich dich sogar um. Keine schöne Vorstellung. Unangenehm ist es auch, wenn mir jemand die Hölle heiß macht, wenn er mich einschüchtert und verängstigt. Das erinnert an die Qualen, die man in der Hölle erleiden muss. Dann lasse ich mich doch lieber als dumme Kuh bezeichnen. Das ist zwar nicht sehr schmeichelhaft, aber harmlos und in der Umgangsprache ein sehr gebräuchlicher Ausdruck, wenn man sich über eine Frau ärgert. Einen Mann tituliert man eher als dummen Sack.

Sprecherin: Hier geht’s aber zu wie im Tollhaus. Es wird getobt und geschrieen. Die Wendung geht auf das Tollhaus zurück, die alte Bezeichnung für eine Nervenheilanstalt, die der Volksmund auch Irrenhaus nennt. Lärmende Kinder sind nicht jedermanns Sache, aber man sollte nicht gleich aus einer Mücke einen Elefanten machen, wenn’s mal lauter wird. Man sollte sich nicht über Kleinigkeiten aufregen oder etwas sehr übertreiben. Ein Vergleich, der schon von den Römern und Griechen in der Antike benutzt wurde.

Frau Mücke: "Ich komme gerade vom Baggerloch, bei der Bullenhitze brauchte ich dringend etwas Abkühlung. Und ganz nebenbei habe ich mir einen kleinen Imbiss gegönnt. Mmhh, lecker, dieser Mensch."

Meister Sommer: "Sie können wohl nicht anders, Frau Mücke. Irgendwann macht Sie wirklich einer platt. Aber wenn es Ihnen zu heiß ist, dann kann ich ja mal kurz ein Gewitter aufziehen lassen."

  • O-Ton: "Dreckswetter!"

Meister Sommer: "Ich sag’s ja, den Menschen kann man’s nie recht machen. Erst ist es ihnen zu heiß, dann wieder zu kalt, zu trocken, zu nass. Immer finden sie ein Haar in der Suppe."

  • O-Ton: "Was ich am Sommer hasse: Völlig überfüllte Strände, wo man aneinander liegt wie die Ölsardinen." / "Und dann ‘ne fette Sonnenallergie kriegen." / "Sonnenbrand." / Zu warm." / "Was ich überhaupt nicht mag, wenn’s so verregnet ist. Was ich auch nicht mag: Wenn ich in Urlaub fahre und stundenlang im Stau stehe." / "Bullenhitze: Wenn es viel zu heiß wird und alles zu trocken wird."

Frau Mücke: "Tja, Meister Sommer, Sie sind eben auch nicht nur beliebt. Hihihi."

Meister Sommer: Sie brauchen gar nicht so zu grinsen. Sie kriegen schließlich auch Ihr Fett weg."

  • O-Ton: "Im Sommer die Mücken, die fallen über einen her wie Plagegeister, und ich bin dann total zerstochen." / "Die Scheißmücken im Sommer, die Scheißmücken!"

Frau Mücke: "Es reicht, es reicht. Das muss ich mir doch nicht anhören. Ich habe doch viele Verwandte im Insektenreich, die die Menschen im Sommer auch zur Weißglut treiben. Die Wespen zum Beispiel, die sich immer auf die Obstkuchen stürzen. Oder die dicken Schmeißfliegen. Warum schimpft man nicht mal über die?"

"Der Brummer (Brummer-Atmo unterlegt)

Der Brummer, der mich so geplagt

und den ich hundertmal gejagt,

und den ich niemals kriegen konnte,

weil er ja leider fliegen konnte,

und der mir manchen Schlaf verdorben,

der Brummer ist, gottlob, verstorben.

Er starb an Bauchweh und Migräne.

De mortuis nil nisi bene!"

(Zitat / Heinz Erhardt)

Sprecherin: Tja, Frau Mücke, über den Brummer schimpfen wir jetzt nicht, weil man - wie der unvergessene Wortakrobat Heinz Erhardt hier auf Latein rezitiert – über die Toten nichts Schlechtes sagen soll. Aber wenn der Plagegeist noch leben würde, läge mir vielleicht der Ausdruck Drecksvieh auf den Lippen, also Mistvieh oder blödes Vieh. Dreckswetter, Dreckskerl, Drecksladen – das voran gestellte Wort "Dreck-" weist darauf hin, dass uns jemand oder etwas gar nicht gefällt, Dreck ist ein anderes Wort für Schmutz. Auch Sie müssen zugeben, dass Sie einen oft zur Weißglut treiben; Ihr Bestreben, uns zu stechen, macht uns fürchterlich wütend. Sie sind eben ein echter Plagegeist, Sie sind ein sehr lästiger Zeitgenosse. Also aufgepasst, kommen Sie mir nicht zu nahe, sonst bekommen Sie Ihr Fett weg, sonst erhalten Sie Ihre verdiente Strafe. Denken Sie dran, was der Volksmund sagt: Mit Geduld und Spucke fängt man eine Mucke, mit Geduld und ruhiger Hand erreicht man sein Ziel. Obwohl ich bei dieser Bullenhitze, also bei dieser unerträglichen Hitze, wenig Lust verspüre, Sie zu jagen. Dann doch lieber ins Baggerloch springen. Das ist kein natürlicher See, sondern eine ehemalige Kiesgrube, die voller Wasser gelaufen ist. Ich kenne ein verstecktes Baggerloch, wo man nicht wie die Ölsardinen am Ufer liegt - also auf engstem Raum wie in einer Dose.

  • O-Ton: "Sommer ist mit Sack und Pack zum Camping fahren mit netten Leuten. Am besten eine ganze Horde." / "Ich brauche dringend einen Tapetenwechsel." / "Sommer ist für mich unsere Siebensachen packen und mit unseren Kindern in Urlaub fahren, das sind echte Wasserratten."

Meister Sommer: "Und schon stehen die Menschen wieder im Stau."

"Als deutscher Tourist im Ausland steht man vor der Frage, ob man sich anständig benehmen muss oder ob schon deutsche Touristen da gewesen sind."

(Zitat / Kurt Tucholsky)

Sprecherin: "Ja, da hat der Schriftsteller Kurt Tucholsky leider recht, Touristen vergessen im Ausland schon mal sämtliche Benimmregeln. Vor allem, wenn sie als grölende, besoffene Horde auftreten, sind sie unerträglich. Der Ausdruck Horde weist darauf hin, dass sie sehr viele sind, so wie eine Horde wilder Tiere. Aber Gott sei Dank verlieren nicht alle beim Tapetenwechsel den Verstand. Der bildhafte Ausspruch: Ich brauche dringend einen Tapetenwechsel bedeutet, dass man mal eine andere Tapete als die des eigenen Heims vor Augen haben möchte, am liebsten die eines Hotels. Dann fährt man mit Sack und Pack los, mit großen und kleinen Gepäckstücken. Wer seine Siebensachen packt, räumt alle seine Habseligkeiten zusammen. Wasserratten sind zum einen natürlich die Tiere, zum anderen bezieht sich das Wort aber auch auf Menschen, die so gerne im Wasser sind, dass sie gar nicht mehr rauskommen wollen – wie diese Kinder.

Herr Sommer: "Und ich mache ihnen den Aufenthalt im Baggerloch erst so richtig zum Genuss, denn vergessen Sie nicht: Mein Markenzeichen ist die Hitze. Oder würden Sie im Winter in einen See springen? Aber jetzt muss ich los, ich bin mit Frau Sonne verabredet. Ich will Sie überreden, für gutes Wetter zu sorgen. Frau Mücke ist auch schon entflogen, sie sucht bestimmt ein neues Opfer. Also bringen Sie sich in Sicherheit und genießen Sie unbeschwert den Sommer.

Suzanne Cords

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