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Alltagsdeutsch (20/04) 18.05.2004) "Licht"

Licht
Sprecher 2: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis, und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht." (Zitat Buch Genesis)
Sprecherin: So gewaltig beschreibt das Buch Genesis den Beginn allen Lebens. Die Scheidung von Licht und Finsternis, am Uranfang der Welt, symbolisiert das Setzen der ersten Ordnung. Fast alle auf einer Zweiteilung der Welt basierenden Grundprinzipien beziehen sich auf diese Unterscheidung zwischen Licht und Dunkelheit, und damit von Gottesnähe und Gottesferne, von Gut und Böse. Licht ist das, was zuerst geschaffen wurde. Es manifestiert den Geist Gottes, Herrlichkeit und Macht, die die Kräfte der Finsternis und damit des Bösen vertreiben. Licht und Dunkelheit sind also mit dem Anfang und dem Ende verbunden und spielen deshalb in der Theologie eine große Rolle: Beim Sündenfall senkte sich Finsternis herab, und erst die Rückkehr ins Paradies lässt dieses ursprüngliche Licht wieder erstrahlen. Auch in unserer Sprache findet sich der Gegensatz zwischen hell und dunkel, zwischen Licht und Finsternis wieder. Meistens handelt es sich hierbei um Ausdrücke, die auf Bibelzitaten basieren. Pfarrerin Ulrike Veermann hat sich mit der ursprünglichen Bedeutung von Licht in der Bibel intensiv beschäftigt.
O-Ton: Pfarrerin Ulrike Veermann, (MD 88, Track 7, nach 04´04´´)
"In der Schöpfungsgeschichte war es Gott selbst, der den Himmel, den Tag und die Nacht voneinander getrennt hat. Und im Neuen Testament ist es Jesus Christus, der wie ein Licht in die Welt gekommen sein soll. Und es heißt dort: ´Wer mir nachfolgt, der wird nicht im Dunklen bleiben, sondern das Licht des Lebens haben.´ Und damit sind immer diese beiden Seiten des Lebens gemeint. Dass es die schweren Zeiten gibt und die frohen Zeiten, dass es die Zeiten des Leides und die Zeiten des Glückes gibt, und wenn man diesem Licht nachfolgt, dann kann man zumindest von seiner Seite etwas daran tun, dass etwas mehr Licht und Freude und Wärme in diesem Leben ist. (...) Versuchen, als Christ etwas mehr Licht in die Welt hineinzubringen."
Sprecher: Im Neuen Testament bringt Jesus das Licht in die Welt. Das heißt, Jesus bringt den Menschen Hoffnung und Zuversicht. Die Wendung Licht in die Welt bringen ist allerdings nur im religiösen Kontext geläufig. So, wie in der Bibel Zustände wie Wahrheit, Glück, Freude und Befreiung mit dem Phänomen Licht umschrieben werden, so dient die Dunkelheit als Symbol für Unglück, Trauer, Tod, geistige Dumpfheit, aber auch Geheimnis. Wer in der Dunkelheit bleibt, wird von Jesu Verkündigung nicht erreicht. Im übertragenen Sinne kann man auch von einer Angelegenheit sprechen, die im Dunklen bleibt. Das heißt, sie bleibt auf geheimnisvolle Weise ungeklärt.
Sprecherin: Wird ein Mensch geboren, erblickt er das Lebenslicht. Stirbt er, erlischt es. Schon die Israeliten sahen das Leben als Funken und Licht - das Sterben als Erlöschen. Die Vorstellung von Licht ist in der Sprache tief verwurzelt und erinnert immer an etwas Positives, Geistiges oder auch Lebendiges. Dennoch kann sich etwas auch zum Negativen hin verändern, wenn es anders beleuchtet, also anders betrachtet wird, weiß Ulrike Veermann:
O-Ton Ulrike Veermann: "Es hat natürlich auch den Anteil, dass es vieles ans Tageslicht bringt." "Natürlich haben die alten Ägypter auch verstanden, in ihrem Land, dass das Licht auch etwas Zerstörerisches haben kann. Und deshalb haben sie das Licht wohl auch besonders angebetet, weil die Sonne jemand ist, die man verehren muss, damit sie auch weiterhin Leben gibt und nicht das Leben zerstört."
Sprecher: Bringt man etwas ans Licht beziehungsweise ans Tageslicht oder kommt etwas ans Licht, wird etwas Unangenehmes, das vorher im Dunkeln, also im Verborgenem lag, bekannt gemacht. Negativ besetzt ist auch die Redewendung jemanden hinters Licht führen, wenn man jemanden täuscht oder betrügt. Der eigentliche Wortsinn ist hier, jemanden ins Dunkle zu führen. Auch kann man etwas ins falsche Licht rücken, das heißt verzerrt oder unwahr darstellen. Wirft man ein schlechtes Licht auf jemanden, schadet man seinem Ansehen.
Sprecherin: Diese Redewendungen sind nicht biblischen Ursprungs, sondern verweisen auf die einfachen physikalischen Grundgesetze von Licht und Schatten.
Sprecherin: Professor Harald Giessen ist Physiker an der Universität Bonn. Dort beschäftigt er sich seit einigen Jahren mit den Eigenschaften von Laserlicht. Ihm und seinen Mitarbeitern ist es erstmalig gelungen, Laserlicht, das vom menschlichen Auge zunächst einmal nicht wahrzunehmen ist, wieder in sichtbares Licht zu verwandeln. So kann er zum Beispiel aus einem Laserstrahl weißes Licht herausfiltern. Eine Neuerung, die zum Beispiel in der Medizin Anwendung findet. Die Laserphysik führt vor Augen, dass sich viele Redewendungen rund um das Wort Licht auch physikalisch erklären lassen.
O-Ton: Harald Giessen: "Wir können Sachen, die verborgen sind, mit Hilfe von unsichtbarem Licht ans Tageslicht bringen. Zum Beispiel können Sie den Augenhintergrund untersuchen mit unsichtbarem Licht, und Sie bringen ans Licht sozusagen, ob der Augenhintergrund krank ist oder gesund."
"Das Licht brennt ihm auf den Fingern. Das kennen wir auch. Wenn wir in diesen Laser hier, den man nicht sieht, wenn man da seine Finger reinhält oder seinen Arm reinhält, dann kann das sehr schmerzhaft sein. (...) Mir ist das mal passiert, dass ich aus Versehen mit dem Arm in den Strahl gefasst hab. Das ist ungefähr so, als wenn Sie eine Rasierklinge nehmen und sich direkt reinschneiden. Es tut unglaublich weh, weil das Licht drängt ein bisschen tief ein und geht direkt dort hin, wo die Nerven sitzen. Und es ist ungeheuer schmerzhaft. K.W. Anfang Sie ziehen den Arm sofort wieder hinaus. Sie haben dann so eine Spur, eine schwarze, verbrannte Spur auf dem Arm, und die Haare sind verbrannt, es riecht verbrannt nach verbrannter Haut. (...) Wenn Sie da nicht aufpassen, dann sind Sie sofort blind." K.W. Ende
Sprecher: Die Arbeit im Laserlabor ist also nicht ungefährlich. Harald Giessen umschreibt die Energie, die intensives Licht haben kann, ganz konkret mit dem Satz "Das Licht brennt ihm auf den Fingern". Die Wendung ist aber auch im übertragenen Sinne gebräuchlich: Wenn jemand dem Licht zu nahe kommt, er sich am Licht verbrennt oder das Licht ihm auf den Fingern brennt, so braucht er rasche Hilfe. Zu denken ist an eine Kerze, die bis auf die Finger, die sie halten, herabgebrannt ist. Man wird auch daran erinnert, dass sich die Mönche früher bei der Frühmesse zum Lesen im Dunkeln kleine Wachskerzen auf die Daumennägel klebten. Die Redensart kann aber auch von den Foltermethoden - dem Brennen der Nägel durch aufgelegte glühende Kohlen – hergeleitet sein.
Sprecherin: Aber kehren wir zurück zur Religion, die noch eine Fülle weiterer Redewendungen rund um Licht und Dunkel, Tag und Nacht zu bieten hat.
Sprecher 2: "Jener Tag werde Finsternis, nie frage Gott von oben nach ihm, nie leuchte über ihm des Tages Licht. Einfordern sollen ihn Dunkel und Finsternis, Gewölk über ihn sich lagern, Verfinsterung am Tag mache ihn schrecklich. (...) Wozu Licht für den Mann auf verborgenem Weg, den Gott von allen Seiten einschließt?"
O-Ton: Ulrike Veermann: "Bei Hiob ist es die Geschichte, das er nun wirklich alles Leid auf seinen Schultern tragen muss, eine sehr interessante Geschichte im Alten Testament. Nach dem Verständnis des Alten Testaments müsste es Hiob eigentlich sehr gut gehen. Hiob ist ein frommer Mann. Hiob ist ein Mann, der alles tut, was Gott von ihm verlangt, und dafür müsste er eigentlich belohnt werden - so das Alte Testament. Aber Gott lässt ihm ein Leid nach dem anderen geschehen. Und immer wieder schafft es dieser Mann, trotzdem an Gott zu glauben und auf ihn zu hoffen. Und immer wieder geht ihm ein Licht auf. Schließlich wird er dann doch belohnt für seinen treuen Glauben, wider alle Widerstände."
Sprecher: Geht jemandem ein Licht auf, wird ihm alles klar, hat er verstanden. Diese Redensart beruht, wie die Pfarrerin richtig erklärt, auf Bibelstellen wie Hiob, wo es heißt:
Sprecher 2: "Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen."
Sprecher: Oder Matthäus:
Sprecher 2: "Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und die da saßen am Ort im Schatten des Todes, denen ist ein Licht aufgegangen".
Sprecherin: Die Volkssprache holt dieses Bild immer wieder in die Wirklichkeit zurück und überspitzt es gern in ironischer Übertreibung. So sind regionale Zusätze und verstärkende Abänderungen beliebt. Berlinerisch beispielsweise:
Sprecher 2: "Jeht ne Latüchte, ne Trafunzel, ne Jaslatern, ne janze Jafabrik uf.»
Sprecher: Ähnlich heißt es in Schillers Kabale und Liebe:
Sprecher 2: "Ist ihm das helle?" – "Dass mich die Augen beißen".
Sprecher: "Dämmert´s?" fragt man scherzhaft, wenn man hofft, dass einem etwas einzuleuchten beginnt. Wenn jemandem eine Sache nicht einleuchtet, kann das auch daran liegen, dass der Betreffende kein großes Licht, sozusagen unterbelichtet, ist. Weniger geläufig ist die Variante: Jemand ist kein großes Kirchenlicht. Auch diese negativen Bedeutungen beziehen sich ursprünglich auf biblische Aussagen.
O-Ton: Ulrike Veermann: "Natürlich ist das eine Tendenz in unserer Kirche oder in unseren Kirchen (…), dass Kirchen einen großen Maßstab ansetzen und schnell beurteilen, wer denn nun ein Kirchenlicht ist oder kein Kirchenlicht ist. Das würde die Schrift selber ganz anders sehen. Sie würde sagen, dass jeder Mensch von Gott begabt ist, und jeder Mensch von Gott ein Stück seines Lichtes hat. Und jeder Mensch an der Stelle, an der er ist, ein Stück Licht in die Welt hinaustragen kann. (...) Und das wäre eigentlich Aufgabe unserer Kirche, da stärker drauf hinzuweisen. Und da muss man nicht mehr von Kirchenlichtern sprechen oder von großen Lichtern, sondern dann ist in jedem von uns ein eigenes Licht. Man muss es nur selber zum Leuchten bringen, es zulassen."
Sprecherin: Nicht allen gelingt es, eigene Stärken immer zum Vorschein zu bringen. Stattdessen üben sich diese Menschen in Selbstkritik und machen von ihren positiven Fähigkeiten zu wenig Gebrauch.
O-Ton: Ulrike Veermann: "Man stellt sein Licht nicht unter einen Scheffel. Eine ganz praktische Überlegung. Wenn ich eine Kerze anzünde, dann soll diese Kerze leuchten, dann soll das Licht weitergegeben werden, dann soll es nicht verborgen werden. Warum sagt man das überhaupt? Es gibt nichts Vernünftigeres, als so zu handeln. Ich brauche kein Licht zu verbergen. (...) Warum versteckst du das, was du hast. Und mit diesem Hinweis, dein Licht, deine Begabung (...), die dir geschenkt wird und die du weitergeben sollst, ja, dann gib sie doch weiter, dann stell sie nicht unter einen Scheffel, mache kein Dach über das Licht, dann lass es bitte auch leuchten. Ein ganz einfaches Wort."
Sprecher: Empfiehlt man jemandem, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, so rät man ihm also, nicht allzu bescheiden zu sein, sondern die vorhandenen Kräfte voll zu nutzen, sein Licht leuchten zu lassen. Diese Redensart stammt aus dem Matthäus-Evangelium, wo es heißt:
Sprecher 2: "Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter, so leuchtet es allen, die im Hause sind. Also lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen."
Sprecherin: So, wie man mit Licht zu sparsam umgehen kann, indem man es zum Beispiel unter einen Scheffel – das ist ein altes Hohlmaß - stellt, so kann man es mit der Helligkeit auch übertreiben, weiß der Physiker Harald Giessen.
O-Ton: Harald Giessen: "Wenn Sie Licht in die Sonne bringen, die Sonne hat natürlich viele Lichtstrahlen. Und wenn Sie dann noch Licht dazubringen, können Sie die Sonne schlecht übertreffen. Selbst mit unseren heutigen Lasern ist es relativ schwierig, die Sonne von der Helligkeit her zu übertreffen. Da müssten Sie schon viel Aufwand betreiben, um das hinzukriegen."
Sprecher: Will jemand Licht in die Sonne bringen oder dem Tag ein Licht anzünden, so tut er Unsinniges, Unnützes beziehungsweise Überflüssiges. Wenn Licht nicht im Überfluss vorhanden ist, kann es allerdings viele Dinge erhellen oder auch aufklären. Brennt das Licht zu hell, verbietet die Anwesenheit von Kindern eine gewisse Mitteilung, weil sie für Kinderohren nicht gedacht ist und man deshalb lieber nicht weiterspricht.
Sprecherin: Im Laserlabor des Physikers Harald Giessen stehen die Wissenschaftler schon seit längerem im regen Austausch mit der Industrie. Nicht nur in der Medizin, auch im Bereich der Messtechnik wird bereits mit verschiedenen Lasertechniken gearbeitet. Erstaunlich, dass für das Auge unsichtbare Strahlen so ein weites Forschungsfeld ergeben und voller geballter Energie sind.
O-Ton: Harald Giessen: "Das sieht jetzt sehr schwach aus, Sie sehen einen kleinen roten Fleck, relativ enttäuschend auf den ersten Blick. Aber jetzt lass ich Sie mal durch dieses Gerät hier schauen."
(Track 5) "Das ist jetzt infrarotes Licht, und das ist so intensiv, dass wenn Sie hier reinschauen würden, würden Sie sofort blind werden."
Sprecher: So, wie man im Laserlabor durch eine Nachtbrille gucken kann, kann man auch im übertragenen Sinne einen Lichtblick haben. Dann kann etwas, das zunächst hoffnungslos erschien, einen erfreulichen Ausgang nehmen. In neuerer Zeit ist noch eine Reihe beliebter Licht-Redewendungen in die deutsche Sprache hinzugekommen. Von den Verkehrsampeln her übernommen ist das vielgebrauchte Schlagwort vom grünen Licht, das man jemandem oder einer Angelegenheit geben kann. Auch sagt man: Das Licht steht auf Grün. Beide Redensarten bezeichnen Handlungsfreiheit, geben das Startzeichen zu einem Vorhaben.
Sprecherin: Haben wir nun genügend Licht ins Dunkle gebracht? Oder geht das Licht in Ihrem Kopf bald aus? Bevor Ihr Erinnerungs- und Denkvermögen tatsächlich abhanden kommt, sollten wir nicht zu viel Licht in die Sonne bringen. Sie können also jetzt, wenn Sie mögen, das Licht ausblasen. Allerdings sollten Sie dies auf keinen Fall im übertragenen Sinne tun, das bedeutet nämlich, das Leben auslöschen.
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