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Alltagsdeutsch (19/04) 11.05.2004 "Die Sprache der Liebe"

Die Sprache der Liebe
- O-Ton: "Wenn der Frühling kommt, dann ist auf jeden Fall schon mal alles leichter, weil man nicht so viele Sachen an hat, man bewegt sich viel freier und die Haut fängt an zu prickeln, weil die Sonne drauf scheint. Man atmet freier und genießt das Leben, und man nimmt die Sachen nicht so schwer, die um einen rum sind, sondern alles geht vielmehr durch den Bauch als durch den Kopf."
"Ja, so richtig gut erinnern kann ich mich da in erster Linie ans Studium, da hab ich in der Wohngemeinschaft gewohnt, und wir waren da zu vier Jungs; und wenn dann April und Mai kam, die ersten Mädels ihre kurzen Röcke trugen, das hat dann schon Frühlingsgefühle ausgelöst."
Sprecherin: Die Sonne blinzelt mit ersten Strahlen durch die trüben Winterwolken, die Bäume zeigen frisches Grün. Die ersten Blüten machen das Leben bunter, ein laues Lüftchen weht - die Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf, und mit ihr der Mensch. Beflügelt von neuen Lebensgeistern ist er übermütig, gutgelaunt, zum Flirt aufgelegt.
- O-Töne: "Ja, man hat richtig weiche Knie und Herzflimmern, und man kann nicht mehr essen und trinken und schlafen. Und ist mal himmelhochjauchzend, dann zu Tode betrübt." / "Also, man hat immer Schmetterlinge im Bauch, alles kribbelt, man sitzt neben dem Telefon, wartet, dass irgendwas passiert." / "Man verliert den Boden unter den Füßen und schwebt in den Wolken." / "Erst mal hat man dann Wechselbäder zwischen heiß und kalt. Und zweitens ist es mit dem Arbeiten vollständig vorbei, weil man sich halt auch nicht konzentrieren kann." / "Man fängt an zu schwitzen und kriegt Herzklopfen, ganz stark..."
Sprecher: Denken Sie jetzt bloß nicht, dass die besagte schönste Sache des Lebens eine Krankheit ist, eine bösartige Frühjahrsgrippe vielleicht. Die Rede ist natürlich von nichts Geringerem als der Liebe.
Sprecherin: Und die macht angeblich sogar blind - aber auch das ist im Alltagsdeutschen natürlich im übertragenen Sinne gemeint: Blind vor Seligkeit.
Sprecher: Der oder die Angebetete wird vergöttert, und dadurch verliert man den Blick für seine kleinen und großen Schwächen.
Sprecherin: Schließlich geht es hier nicht um irgendwelche profanen irdischen Dinge, sondern der Verliebte schwebt in den Wolken - im berühmten siebten Himmel der Liebe.
Sprecher: Und wenn er dann da oben so schwebt, dann ist ihm mal himmelhochjauchzend zumute, im nächsten Moment ist er zu Tode betrübt - dann nämlich, wenn er sich seiner Gegenliebe noch nicht so ganz sicher sein kann. Ständige Begleiter des Verliebten aber sind die Schmetterlinge im Bauch - diese Bild beschreibt sehr anschaulich das rumorige, kitzelnde Gefühl, an das Sie sich bestimmt auch selber erinnern können.
Sprecherin: Alles dreht sich nur um die Liebe. Sie ist das Gefühl Nummer Eins, das herzergreifendste, das aufwühlendste und ureigenste Gefühl der Menschen. So intensiv und verwirrend, dass sogar behauptet wird, sie könnte einem den Verstand rauben. Nicht umsonst heißt es auch, dass ein Mensch einem anderen den Kopf verdreht, wenn er ihn verführt. Und leicht verrückt mögen die Liebeskranken für den Außenstehenden auch wirken, wenn sie miteinander reden:
- O-Ton: "Ja, ich sage immer Rattenschwänzchen." / "Hasimaus." / "Meine Freundin sagt immer Big Jim zu mir. Ganz blöd find ich Bärlein." / "Ich halt es mehr mit den klassischen, nüchternen Varianten, so... Liebling ist eigentlich das Schönste, aber Schätzchen geht auch." / "Hupsi, Schpupsi oder Kalli Baili, was dann direkt mit dem Namen zusammenhängt." / "Zuckerschnecke." / "Schatz." / "Teddybär." / "Attülein, ist meines Mannes Name, weil der Arthur heißt, haben wir den aufgedrückt auf Attülein." / "Also ich sage immer Schokoplätzchen."
Sprecherin: Doch vor die Kosenamen hat das Schicksal die Werbung gesetzt. Schließlich ziemt es sich nicht, wildfremde Menschen mit Teddybärchen oder Zuckerschnecke anzusprechen. Bis zu solchen Vertraulichkeiten ist es oft ein beschwerlicher und steiniger Weg voller gefährlicher Hindernisse. Damit aber der Liebesgott Amor seinen bedeutungsvollen Pfeil abschießen kann, gilt es, neben einer günstigen Gelegenheit auch gleich die richtigen Worte zu finden.
- O-Ton: "Naja, wer die Tanzschule besucht, der hat da die beste Gelegenheit. Wir waren ja oft zu Dritt zusammen, und dann hat man hübsche Mädchen gesehen und gesagt, die woll'n wir mal ansprechen. Vielleicht geh‘n die mit ins Kino oder ins Cafe oder spazieren. Ich bin überhaupt der Meinung, die früheren Zeiten waren schöner. War romantischer, das ganze Flair, das Drumherum. Ich meine, ich hatte auch meine Affären gehabt. Du liebe Zeit, wer hat das nicht als Mann. Ich hab früher auch Gedichte geschrieben, da standen sie drauf." / "Och Gott, wir waren so im Stress, nach dem Krieg die Aufbauerei. Da pfiffen sie mal hinter einem her." / "Mein Mann hat mir damals noch so richtig den Hof gemacht, wie man so schön sagt. Mit Blumen schenken und Essen gehen und ins Kino führen. Und da hat er aber auch noch so richtig um meine Hand angehalten. Früher war das so wichtig, sonst durfte man nicht heiraten."
Sprecher: Die Liebe war zwar früher nicht anders als heute, aber dafür war sie damals noch mit viel strengere Konventionen verbunden. Der Frau wurde der Hof gemacht. Dabei muss sich der Mann die Sympathien nicht dadurch erringen, dass er die Mülleimer in Ordnung hielt und den Hinterhof fegte. Den Hof machen heißt umwerben, sich als besonders höflicher Kavalier erweisen. Und wenn das erfolgreich absolviert war, wurde vor der Hochzeit bei den Eltern noch um die Hand angehalten: Eine symbolische Geste dafür, dass nun der junge Mann die Verantwortung für die Tochter übernimmt.
Sprecherin: Heutzutage lassen sich emanzipierte Frauen natürlich nicht mehr so passiv vom Vater zum Gatten weiterreichen. Das förmliche um die Hand anhalten ist deswegen nahezu aus der Mode gekommen. Auch eine Frau ergreift heutzutage die Initiative. Und mit den Sitten haben sich auch die Örtlichkeiten des Sich-Kennen-Lernens geändert. Allerdings - Rituale gibt es nach wie vor. Nur besitzt jede Generation ihre eigenen.
- O-Ton: "Entweder in der Schule oder auf der Fete wenn man sich so kennen lernt, dann trifft man sich ab und zu mal, und das ergibt sich irgendwie dann so, dass man sich halt näher kommt. Da wird halt nicht viel gefragt, das ist dann einfach so." / "Meistens funkt's ja in der Disco. Da muss man aber auf jeden Fall die plumpe Anmache vermeiden, denn auf Machos stehen die überhaupt nicht mehr. Also, da gibt's eigentlich nur eins: Einerseits muss man so'n bisschen schleimen, mit Komplimenten und so. Und auf der anderen Seite: Schalten, Labern einstellen und Knutschen einleiten, dann klappt das."
Sprecher: Was früher mit den Hof machen umschrieben wurde, heißt bei der heutigen Jugend salopp anmachen, anbaggern oder angraben. Alles läuft auf das gleiche Ziel hinaus: den Wunschpartner zu beeindrucken. Und weil das die Grundlage für die Verliebtheit ist, gilt es, die plumpe Anmache zu vermeiden, sein Ziel nicht zu offensichtlich anzustreben, sich nicht wie ein Macho zu benehmen.
Sprecherin: Macho ist nicht ganz zufällig ein spanisches Wort, das in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen ist. Auch wenn es nichts anderes heißt als männlich. Aber der Stolz und die Selbstherrlichkeit, mit der Südländer traditionell ihre Männlichkeit zur Schau stellen, wirkt hierzulande oft hoffnungslos übertrieben und künstlich und ist für eine zeitgemäße Anmache deswegen meist ungeeignet.
Sprecher: Das genaue Gegenteil zum Macho ist der Softie. Soft ist das englische Wort für weich, und so war eine Zeitlang das modische Idealbild eines Mannes: Nach den harten Kerlen der sanfte Männertyp. Heute hat sich das zugunsten eines gesunden Mittelmaßes geändert; Softies werden nun verächtlich Weicheier genannt, denn schließlich gilt es, wie uns der Schüler fachmännisch erklärte, die Kombination zu beherrschen zwischen Schleimen - eine recht unschöne Umschreibung für übertriebene Komplimente - und der "handgreiflichen" Aktion. Das Labern, also das sinnlose Reden ist zu stoppen und dafür das Knutschen zu beginnen: ein Wort, das das harmlose jugendliche Küssen sehr lautmalerisch beschreibt.
Sprecherin: Der Teenie, also der Jugendliche zwischen zehn und 18, verliebt sich durchschnittlich mindestens einmal im Monat neu. Mit wahrer Liebe hat das meist noch wenig zu tun. Man spricht von einem Schwarm. Ein schwärmerischer Liebesanfall, der ebenso schnell wieder geht, wie er kam. Und wer gestern noch vor Liebeskummer in Todesqualen lag, kann heute schon wieder frisch verliebt sein - in einen anderen Traumtypen. In späteren Jahren ist das nicht mehr ganz so einfach. Die Bindungen werden mit zunehmendem Alter dauerhafter, die Ledigen rarer. Da muss man sich schon wirkungsvolle Strategien einfallen lassen, um das andere Geschlecht zu beeindrucken.
- O-Ton: "Wenn ich dann erst mal Kontakt hab, sei es in der Kneipe oder woanders, dass ich mir manchmal so überleg: Ja, jetzt kommt unheimlich gut an, wenn ich dann eben so zuhöre, unheimlich verständnisvoll bin und dann immer verständnisvoll nicke, aber dass das so 'ne richtige Masche ist, glaub' ich eigentlich auch nicht." / "Ich werde schwach, wenn der Mann oder der Typ ganz besonders schöne Augen hat oder irgendwie mit den Augen zwinkert, dann werd ich ganz Feuer und Flamme." / "Cherie, ich glaube, wir sind füreinander bestimmt, aber meinst Du nicht, das besprechen wir besser in meinem Ferrari als hier auf der Straße." / "Es hat geprickelt und geknistert, und wir wurden immer neugieriger." / "Die Anmache muss möglichst dezent sein, und trotzdem möglichst originell natürlich. Also es ist schon nicht so einfach. Also, was nicht sofort auf den Punkt kommt, sondern erst mal möglichst weit abschweift, um dann irgendwann doch wieder auf mich zurückzukommen, aber so, dass ich möglichst nichts merke, weil sonst ist bei mir sofort der Ofen aus."
Sprecher: Es knallt und es funkt. Jemand ist in Liebe entbrannt, die Liebe wurde entfacht, die Begeisterung ist so groß, dass man Feuer und Flamme ist. Kein Zufall, dass die meisten Adjektive, die diesen extremen Gefühlszustand umschreiben, von ganz elementarem Charakter sind. Es handelt sich hier offenbar um eine hochexplosive Angelegenheit.
Sprecherin: Wie bei einem Steppenbrand, einem Feuerwerk, prickelt und knistert es zwischen zwei Verliebten. Der reinste Liebestöter aber ist die Anmache nach einer bestimmten Masche, wie der vermeintliche Franzose sie betreibt. Kein Wunder, schauen Sie sich einmal die gestrickten Maschen Ihres Pullovers an: jede Masche gleicht exakt der anderen.
Sprecher: Auch wenn die Franzosen als Liebeskünstler schlechthin gelten, auch wenn das französische Cherie irgendwie viel einnehmender klingen mag als das harte deutsche Schatz - mit einer so plumpen Masche, mit einem altbekannten und langweiligen Muster, darf man natürlich nicht in die hartumkämpfte Liebesschlacht gehen. Zumindest nicht, wenn man es auf unsere letzte junge Dame abgesehen hat: Sie will besonders phantasievoll angemacht werden, sonst ist von Feuer fangen, also verliebt sein, keine Rede. Im Gegenteil: Protzt man allein mit seinem teuren Sportauto, ist bei ihr der Ofen aus, bevor er überhaupt brannte. Keine Flamme der Leidenschaft. Noch nicht einmal ein Glimmen. Schluss, vorbei, Chance vertan.
Sprecherin: Na, immer langsam, so schlimm wird es schon nicht sein. Vielleicht war es einfach nicht die Richtige. So schnell geht es eben nicht, dass aus der schönen Fremden die Zuckerschnecke oder das Schokoplätzchen wird. Und wenn der Funke diesmal nicht überspringt, der Ofen aus ist, dann verzweifeln Sie nicht sofort, seien Sie nicht zu Tode betrübt, schalten Sie einfach Ihren Kopf aus. Irgendwann flattern sie schon wieder, die Schmetterlinge im Bauch, denn: Der nächste Frühling kommt bestimmt.
- O-Ton: : "Liebeskummer ist, glaub' ich, das Schlimmste, was man kriegen kann, aber ich glaub, dass die Zeit auch die Wunden heilt." / "Nee, Liebeskummer ist nicht wert, keiner, kein Mann und keine Frau, würd‘ ich keinen Liebeskummer für haben, nee, komm. Große Liebe? Was heißt große Liebe?" / "Es gibt so viele Menschen auf der Welt, und die Freundin kommt meistens direkt aus der Nachbarschaft. Da braucht man nur in die nächste Stadt zu gehen, da gibt's bestimmt noch 'n' paar Traumfrauen."
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