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Heinz Schindler | www.dw-world.de | © Deutsche Welle.

Das Schwein

Das Schwein fühlt sich bei uns Menschen Das Schwein fühlt sich bei uns Menschen "sauwohl"!

Wer Schwein hat, hat Glück. Und wer Glück hat, dem geht es saugut. - Es gibt so einige "schweinische" Bedeutungen in der deutschen Sprache: Deutsche Redewendungen rund ums Schwein.

Das Schwein

  • O-Töne: "Im normalen Leben sind die ja eher nur so 'n Nahrungsmittel." / "Ähh, Speck" / "Wir haben am Stall welche und die sind eigentlich ganz okay. Die Tiere find ich cool." / "Dreckig, eklig."

Sprecherin: Zu wohl keinem anderen Tier entwickelte der Mensch ein so ambivalentes Verhältnis wie zum Schwein, das seit Tausenden von Jahren sein Leben begleitet. In manchen Kulturen wird es verachtet, sogar verdammt, in anderen verzehrt und verehrt -Diplombiologin Sabine Weimbs:

  • O-Ton: Sabine Weimbs "Das Glücksschwein ist vermutlich auch schon ein altes Symbol. Tacitus hat in der Germanica schon von Germanen geschrieben, die schweineförmige Glücksamulette getragen haben."

Sprecher: Jeweils zur Wintersonnenwende wählten die Germanen Schweine aus, die sie opferten, um von den Göttern Glück zu erbitten. Auch im alten Rom kannte man Opferschweine, ob nun als lebendiges Tier oder als aus Teig gebackenes Schweinchen. Plinius der Ältere schrieb: "Ihr Schwanz ist geringelt, dabei hat man bemerkt, dass ihr Opfer einen günstigeren Ausfall verspricht, wenn er nach rechts, als wenn er nach links geringelt ist".

  • O-Ton: "'Du Glücksschwein!' Wenn man denn jetzt zum Beispiel im Lotto gewinnt oder so oder irgendwo 'n Preis gewinnt oder beim Spiel, Kartenspiel oder so." / "‚Schwein gehabt' bedeutet, wenn man richtig viel Glück hat. Wenn jetzt so 'n Auto kommt und Du noch im richtigen Moment merkst: ach, da kommt jetzt 'n Auto, dass Du noch rechtzeitig reagieren kannst."

Sprecherin: Der Ausdruck Schwein haben stammt aus dem Mittelalter. Damals erhielt der Letzte in einem Wettbewerb, beim Schießen etwa, ein Schwein als Trost- oder Spottpreis. Er ging also nicht mit leeren Händen, obwohl seine Leistung unter aller Sau, also miserabel, war. Er hatte unverdientermaßen Glück, er hatte Schwein.

Schwein haben ist also eine durchaus positive Redewendung.

Sprecher: Die Kunst zeigt Motive, in denen das Schwein Wohlstand und Glück verkörpert. Etwa im Gemälde "Das Schlaraffenland" von Pieter Brueghel dem Älteren. - Die Stadt Lüneburg in Norddeutschland verdankt ihren mittelalterlichen Reichtum dem Salz und einem Wildschwein. Das wälzte sich nämlich im salzhaltigen Solewasser. Ein Jäger erlegte es, entdeckte in seinem Fell Salzkristalle und verfolgte die Spuren des Wildschweins bis zur Quelle. Aus diesem Grund wird bis heute ein Knochen dieses Wildschweins im Lüneburger Rathaus aufbewahrt. Auch ein altes Sprichwort sagt "Wer Eindruck machen will, kaufe sich ein Pferd, wer Reichtum erwerben will, züchtet Schweine", doch entwickelte der Volksmund nur wenige Redewendungen, die das Schwein in seiner Nützlichkeit darstellen:

  • O-Ton: "Man kann nicht den Speck haben und das Schwein behalten wollen".

Sprecher: Will man den - früher sehr beliebten - Speck essen, so muss das Schwein zuvor geschlachtet werden. Will man aber das Schwein behalten, so muss man darauf verzichten, dessen Speck zu essen. ‚Man kann also nicht den Speck essen und das Schwein behalten wollen‘. Nur eines von beiden ist möglich. Man muss sich entscheiden: ‚Entweder – oder‘ statt ‚sowohl, als auch‘.

Sprecherin: Schweine sind Allesfresser. Sie brauchen keine besondere Nahrung, ja, man kann sie sogar mit Essensabfällen füttern. Ein gutes Schwein frisst alles sagt jemand, der nicht wählerisch ist, der keine besonderen Ansprüche stellt. Damit kann er jemandem auch Honig um den Mund oder ums Maul schmieren. Seine Worte werden als so süß wie Honig empfunden, auch wenn sie nicht ehrlich gemeint sind. Sie schmeicheln dem anderen und stimmen ihn günstig.

Sprecher: Das Schwein ist ein Tier der Symbolik. Es steht für Glück, Wohlstand und Sparsamkeit, aber auch für Dreck und Unreinheit. Dabei ist sein Suhlen im Schlamm nur ein Mittel, um Hygiene zu betreiben. Derartig missverstanden, diente das Schwein vorwiegend für negative Redensarten in der Umgangssprache.

  • O-Ton: "Das hängt sicherlich damit zusammen, dass das Schwein in der Vergangenheit immer ein Begleiter des Menschen war. Das Schwein ist schon seit neuntausend Jahren mindestens ein Haustier, also ein Nutztier, was vom Menschen gehalten wurde und es wurden halt über viele, viele Jahrtausende hinweg Schweine gehalten, und man hat sie beobachtet, man hat sie gesehen und dementsprechend hat man halt auch sich seine Meinung über dieses Tier gebildet."

Sprecherin: Das Alltagsdeutsch verfestigt diese Vorurteile über den Jahrhunderte langen Begleiter des Menschen. Etwa, wenn es heißt Perlen vor die Säue werfen.

  • O-Ton: "Perlen vor die Säue werfen bedeutet soviel: Wenn man sich zum Beispiel auf eine Sache ganz doll vorbereitet und wirklich sich sehr darauf freut und vorbereitet und diejenigen, denen man das halt erklären will oder mit denen man das unternehmen will, die interessieren sich halt nicht dafür und interessieren sich für irgendwelche andere Sachen und man hat sich umsonst vorbereitet halt."

Sprecher: Die Redewendung Perlen vor die Säue werfen ist biblischen Ursprungs und arbeitet mit dem Stilmittel des Kontrasts. Perlen, die mühevoll gewonnen werden, sind etwas besonders Schönes oder Wertvolles. Schweine aber, oder derber Säue, fressen sogar Abfall. Als Schweinefutter sind Perlen somit viel zu schade. Übertragen bedeutet es, dass man etwas Wertvolles einem Unwürdigen gibt, der dies nicht zu achten weiß.

Sprecherin: Das Schwein hat nicht nur über den Teller Einzug in unseren Alltag gehalten. Statistisch verbraucht jeder Deutsche 55 Kilo Schweinefleisch pro Jahr. Auch die moderne Fortbewegung bedient sich eines sprachlichen Bildes mit Schwein:

  • O-Ton: "Zum Beispiel erzähle ich Dir, dass ich gestern unheimlich eilig war. Ich bin wie eine gesengte Sau die Straße runtergefahren, dass ich da rechtzeitig ankam."

Sprecher: Diese Frau erklärt, sie sei wie eine gesengte Sau gefahren. Der Ausdruck stammt aus der Schweineschlachtung. Nach einem Schlag mit dem Schlachtbeil wird die Haut abgebrüht, eben gesengt, um die Borsten leichter entfernen zu können. Man stellt sich vor, dass das Schwein dabei am liebsten wegrennen möchte, und so beschreibt wie eine gesengte Sau einen schnellen, ungestümen Fahrstil. Eine weitere Redensart ist die sogenannte Sauklaue, auch nicht gerade ein Kompliment:

  • O-Ton: "Dass man ganz schrecklich schreibt und dass das kaum einer lesen kann."

Sprecherin: Die Klaue, aus dem althochdeutschen klawa stammend, war schon zu Zeiten Martin Luthers ein umgangssprachliches Wort für Hand oder auch schlechte Handschrift. Das voran gestellte Sau verstärkt den Ausdruck Klaue abwertend.

Sprecher: "Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch", wie es der Lyriker Gottfried Benn einmal formulierte - diese Wertschätzung ging in der Umgangssprache verloren. Vergleiche von Mensch und Schwein zielen allein auf negative Eigenschaften ab. Oft wird dabei auf das vergleichende Wörtchen "wie" verzichtet. Dabei lässt derjenige, der vergleicht, seinen inneren Schweinehund, das heißt, sein schlechtes Ich zur Entfaltung kommen.

  • O-Ton: "'Du Sau!', wenn man sich denn so benimmt wie so eine, dann so sich im Dreck wühlt oder sich nicht vernünftig Zähne geputzt hat, sich nicht richtig wäscht oder so." "Du doofes Schwein!'. Wenn Dich einer getreten hat, wenn man sich dann richtig zofft, dann sagt man manchmal so Wörter." / "Ich hab mal 'n Ball mit dem Blumentopf umgeschossen, da wurde ich richtig zur Sau gemacht. Da haben 'se mich andauernd angemeckert, ja, und meine Freunde haben natürlich darüber gelacht."

Sprecher: Der Ausdruck Sau oder Schwein wird als Schimpfwort gebraucht. Natürlich kann man auch selbst die Verachtung anderer zu spüren bekommen, man wird zur Sau gemacht. Dann wird man mit Worten so zugerichtet, dass man einer geschlachteten Sau gleicht. Man fühlt sich hinterher zumeist saumäßig, das heißt: schlecht.

Sprecherin: Manchmal benimmt man sich aber auch ganz bewusst nicht so, wie es den allgemeinen Erwartungen entspricht oder wie einen andere Leute kennen. Man lässt die Sau raus, und das nicht nur als Landwirt auf der Weide.

  • O-Ton: "Zum Beispiel auf 'ne Party oder so, dass man da etwas mehr so fröhlicher ist und nicht so richtig genervt und was weiß ich, dass das eben etwas lustiger wird." / "Für mich heißt die Sau rauslassen einfach abends mal abschalten, feiern gehen, 'n bisschen Spaß haben." / "Oder, wenn man wütend ist. Seine Wut an irgend 'nem anderen auslassen, oder so was." / "Ab und zu, bei uns in der Wirtschaft, dann abends, wenn die schon 'n paar Bierchen haben, dann machen die das auch."

Sprecher: Die Sau rauslassen kann man überall: allein zu Hause, vorwiegend aber mit anderen und vor anderen, etwa, so sagte es das Mädchen, in der Wirtschaft, ein alter Begriff für eine Gaststätte. Lässt man die Sau raus, so entledigt man sich aller Hemmungen und Zwänge, die einem etwa der Beruf oder die gesellschaftliche Stellung auferlegen. Man befreit die Sau in sich selbst und verhält sich gemäß seiner momentanen Stimmung. Das geht häufiger mit schlechtem Benehmen und einer nicht geringen Menge Alkohol einher. Der frühere britische Premierminister Winston Churchill sagte einmal: "Hunde blicken zu uns auf, Katzen schauen auf uns herab, ein Schwein jedoch sieht uns als Gleichgestellten an".

  • O-Ton: "Ja, Schweine und Menschen sind sich schon sehr ähnlich und Edgar Allen Poe hat mal gesagt, dass Menschen senkrechte Schweine sind. Er wusste wahrscheinlich damals noch gar nicht, wie weit dieses Wort zutrifft."

Sprecherin: Nach dem Menschenaffen kommt das Schwein dem Menschen am nächsten und dient daher der modernen Medizin etwa als Übungsobjekt für komplizierte Operationstechniken. Mit dem Schwein in seiner vielfältigen Nutzbarkeit und in unterschiedlichen kulturellen Sichtweisen befasste sich auch eine Ausstellung im Museum für Naturkunde in Münster, die bei Kindern großen Anklang fand.

Sprecher: Die Münsteraner Ausstellung erkunden die Schüler nach bestimmten Fragestellungen zum Schwein. Den Unterricht leitet die Museumspädagogin, Cornelia Ramthun:

  • O-Ton: "Ich denke mal, wenn man als Museumspädagogin 'n guten Tag erwischt und viele gute Worte in diese Gespräche mit einbringt, die die Kinder fesseln, dann können auch viele Hintergrundgeräusche die nicht unbedingt aus der Fassung bringen. Aber es gibt auch Tage, wo es eben sehr laut im Haus ist oder die Schüler halt auch nicht besonders gut drauf oder man selber halt, dann läuft 's natürlich nicht so gut. Aber in der Regel kann man die Schüler doch schon durch diese Themen sehr gut fesseln und der Großteil hört einem auch bis zum Schluss gut zu und er hat auch sehr viel von solchen Programmen nachhaltig."

Sprecherin: Erwischt die Museumspädagogin einen guten Tag, so hängt dies nicht etwa vom Wetter ab, sondern davon, wie sie sich selbst fühlt. An einem guten Tag gelingt die Arbeit wie von allein, nichts kann einen stören. An einem schlechten Tag hingegen scheint die Zeit nicht zu vergehen, man fühlt sich unwohl und das wirkt sich auch auf ihr Auftreten und ihre Arbeit negativ aus. An guten Tagen hingegen kann sie ihre Zuhörer fesseln. Das heißt nicht, dass diese irgendwo fest angebunden zum Zuhören gezwungen werden. Dieses Fesseln geschieht ganz ohne Strick und Gewalt: Es meint eine feste gedankliche Verbindung, eine dauerhafte Aufmerksamkeit, die die so Gefesselten eng an die Vortragende bindet. Man lässt sich dann auch nicht aus der Fassung bringen.

Sprecher: Die Fassung, mittelhochdeutsch für Gefäß, ist im übertragenen Sinn die Haltung eines Menschen. Er ruht gewissermaßen in ihr. Wird er nun aus der Fassung gebracht, so verliert er die Selbstbeherrschung, die innere Ruhe. Doch das hängt auch davon ab, wie man drauf ist. Dieser Begriff entstammt der Drogenszene und bedeutet ursprünglich, unter Drogeneinfluss zu stehen. In der Umgangssprache beschreibt drauf sein die eigene Stimmung. Fühlt man sich gut oder schlecht, so ist man eben gut drauf oder schlecht drauf. Und ist man gut drauf, dann läuft 's eben auch gut, es geht vorwärts, zum Beispiel bei der Arbeit. Redensarten rund um das Schwein sind den Jugendlichen häufig noch bekannt, finden jedoch in der aktuellen Jugendsprache wenig Verwendung.

  • O-Ton: "Manchmal benutze ich's schon, aber eigentlich nicht so häufig." / "Wörter wie krass oder cool oder out oder in, halt so was." / "Ich sag schon manchmal so 'Ich fühl mich sauwohl' oder so, aber bei mir ist es eigentlich unterschiedlich. Mal sag' ich schon 'Ja, mir geht's saudreckig' oder 'mir geht's saugut', aber mal ist es auch 'mir geht's klasse' oder so."

Sprecherin: Wir sind inmitten der Jugendsprache der 12 bis 23jährigen. Wörter wie saustark benutzt man eher selten. Sau wird, in Verbindung mit Adjektiven, als Verstärkung gebraucht. Saugut bedeutet etwa "sehr gut" oder extrem gut. Ein anderes Wort für extrem ist krass. In der aktuellen Jugendsprache zeigt krass je nach Zusammenhang extremes Entsetzen oder starke Anerkennung an. Cool hingegen, dem Englischen entnommen, bezeichnet eine gewisse Überlegenheit oder Gelassenheit. Jugendliche drücken so Gefallen oder Lob aus. In und out sind ebenso Anglizismen und geben an, ob etwas gefragt ist oder eben nicht mehr.

Sprecher: Doch ob nun krass oder saustark zum Modewort erkoren wurde: Nach der Ausstellung korrigieren die Besucher das eine oder andere Vorurteil:

  • O-Ton: "Wenn das Schwein gut gehalten wird, das heißt: Platz genug hat, ist es ein sehr sauberes Tier." / "Irgendwie finde ich, dass das Klischee so, dass Schweine eben nur dreckig und fett und so und schlecht sind, finde ich irgendwie, dass das unbegründet ist und irgendwie dass Schweine eigentlich gar nicht so schlechte Tiere sind." / "Manche sagen, die Schweine sind doof, aber das sind sie eigentlich gar nicht. Die sind schlau." / "Also das Ganze hier, das ist richtig schön, und da kann man dann nur sagen, dass das alles saugut war hier."

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