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Antje Allroggen | www.dw-world.de | © Deutsche Welle.

Auf den Hund gekommen

Auch Bill Clinton ist schon lange auf den Hund gekommen!Auch Bill Clinton ist schon lange auf den Hund gekommen!

"Der Hund ist mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde." Haustier und Begleiter des Menschen seit Jahrtausenden: der Hund.

Auf den Hund gekommen

 

  • Zitat: (aus Thomas Mann / "Herr und Hund")

"Welch ein schönes und gutes Tier ist Bauschan, wie er da straff an mein Knie gelehnt steht und mit tief gesammelter Hingabe zu mir emporblickt! Der Ausdruck seines Kopfes bekundet eine Männlichkeit seines moralischen Teiles, die sein Körper im Physischen wiederholt. Dies alles spricht von Wackerheit und viriler Tugend."

Sprecherin: Thomas Mann beschreibt in seinem Buch "Herr und Hund" die enge Beziehung zu seinem Hund Bauschan. Immer wieder erinnern den Schriftsteller gewisse Verhaltensweisen bei Bauschan an durchaus menschliche Charakterzüge: Der Hund scheint die Fürsorge seines Herrchens zu brauchen, freut sich, wenn er ihn sieht oder beide gemeinsam spazieren gehen.

Für viele Menschen ist der Hund zu einem wichtigen und treuen Weggefährten geworden. Sie reden mit ihm, loben und beschimpfen ihn, wie man es ansonsten nur mit Kindern tut. Und so können sich viele ein Leben ohne Hund überhaupt nicht mehr vorstellen. Stefan Kalscheuer machte seine Liebe für die Vierbeiner gleich zum Beruf. Er besitzt in der Nähe von Köln eine Hundepension.

  • O-Ton Stefan Kalscheuer: "Wie ich auf den Hund gekommen bin? Das kommt nicht von ungefähr. Ich bin praktisch damit aufgewachsen. Die ganze Sache mit der Hundepension hat damals meine Mutter angefangen vor vielen Jahren, damals noch im kleineren Rahmen. Ich hab mich dann beruflich eigentlich anders entwickelt, hab lange für Lufthansa gearbeitet, aber bin dann wieder daraufhin zurückgegangen und hab die Hundepension neu aufgemacht, vergrößert, ja, so bin ich dazu gekommen."

Sprecher 2: Der Hund ist seit jeher Gefährte, Wächter und Diener des Menschen und wird von jenem aufgrund seiner Treue und Gelehrsamkeit geschätzt. Redensartlich jedoch verbinden sich mit ihm überraschenderweise nahezu ausschließlich negative Assoziationen: erscheint er doch stets als Bild des Elenden oder Niederträchtigen. Der Ursprung hierfür liegt in der ehemals geringen Wertschätzung des Hundes im Landwirtschafts- und Soldatenwesen. Die Rangfolge der Zug- und Nutztiere führte vom Pferd über den Esel zum Hund. Im Jahre 1664 riefen die siegreichen Soldaten bei St. Gotthard an der Raab geschlagenen Türken zu: "Kommst aufn Hund und nit aufn Gaul!", und in einem Volkslied, 1867 auf den unglücklichen Habsburger Maximilan in Mexiko gedichtet, heißt es: "Von dem Tag an und der Stunde / War der Kaiser auf dem Hunde."

Von völlig verarmten Bauern sagte man, sie seien vom Pferd auf den Esel, vom Esel auf den Hund, vom Hund auf den Bettelstab gekommen.

Für die Redewendung auf den Hund kommen findet sich noch eine weitere Herleitung: In nord- wie süddeutschen Gegenden ist die Rede von städtischen wie private Geldtruhen, die auf dem Boden mit dem Bild eines Hundes ausgemalt waren. Dieser Bildschmuck verwies auf den Hund als Wächter, der zur Sparsamkeit mahnen sollte. Wer zu schnell auf das Bild stieß, also auf den Hund kam, hatte nicht sparsam gewirtschaftet, hatte kein Geld mehr, war am Ende.

Die in neuerer Zeit scherzhafte Frage: "Seid ihr auch auf den Hund gekommen?" meint dagegen wieder im eigentlichen Wortsinn: "Habt ihr euch auch einen Hund angeschafft?"

Sprecherin: Die Hundepension von Stefan Kalscheuer bietet bis zu 20 Tieren Platz. Einige bringen ihren Hund, wenn der nicht mit in den Urlaub fahren soll. Andere überlassen Stefan Kalscheuer ihren Hund für einen Tag, wenn sie einmal ohne Haustier in Ruhe einkaufen gehen möchten. Außerdem gibt es eine wachsende Zahl alleinstehender Hundebesitzern, die ihren Vierbeiner täglich vorbeibringen, weil sie arbeiten gehen müssen und das Tier in dieser Zeit nicht allein lassen wollen. Seitdem der Bankangestellte Norbert Becker von seiner Frau geschieden ist, bringt er seinen Labrador Caruso jeden Morgen um halb neun in die Hundepension. Caruso scheint sich hier inzwischen recht wohl zu fühlen, doch wenn Norbert Becker ihn dann abends gegen sieben wieder abholt, ist die Freude groß.

  • O-Ton Norbert Becker: "Ich bin froh, dass ich den Hund in gute Hände geben kann." / "Er freut sich sehr. Weil wir sind ein Team und ein Herz und eine Seele. Ich hab ihn als Welpe bekommen mit neun Wochen, ich hab mich sehr drum gekümmert."

Sprecher 2: Die Hand ist das wichtigste Arbeitsinstrument des Menschen. Mit der Haltung der Hand sind daher viele unterschiedliche Bedeutungsebenen verknüpft. Die meisten verweisen auf die Hilfs- und Schutzfunktion einer Hand. Dabei ist die bildliche Bedeutung der eigentlichen sehr nahe geblieben. Wenn man jemandem etwas an die Hand gibt, gibt oder sagt man ihm etwas, das ihm weiterhilft. Nimmt man jemanden an die Hand, leitet man ihn bei der Bewältigung einer Aufgabe. Reicht man ihm die Hand – oft dabei eben auch wirklich -, bietet man ihm Versöhnung an. Gibt man jemanden oder etwas in gute Hände, so weiß man, dass er oder es gut betreut beziehungsweise verwahrt wird.

Viele Redensarten bedienen sich des Begriffs der Seele, allerdings in ganz verschiedenen Bedeutungen. Ein Herz und eine Seele sind zwei Personen, die in ihren Anschauungen völlig übereinstimmen. In einer biblischen Apostelgeschichte heißt es: "Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele."

  • O-Ton Stefan Kalscheuer: "Irgendwann kennt man Hunde sehr gut. Dann weiß man genau, was für einen Charakter der hat. Ich hab im Moment einen Kampfhund hier, das ist der Jason, ein Bullterrier, also einer, der unter die Kategorie Kampfhunde fällt. Dieser Jason ist eine Seele von Hund. Ja, für den leg ich meine Hand ins Feuer."

Sprecher 2: Nennt man jemanden eine Seele von einem Menschen, wird auf seine besondere Güte verwiesen. In ähnlicher Absicht spricht man von einer treuen, geduldigen Seele. Ist oder hat jemand eine schöne Seele, verfügt er über ein ausgeglichenes Gemüt, er ist gutherzig und intelligent. Der Begriff der schönen Seele geht auf die Antike zurück und meint die Harmonie zwischen natürlichem und geistigem Sein. Eine schwarze Seele hingegen bezeichnet einen Menschen mit schlechtem Charakter. Das Wort Seele kann aber auch lediglich als Stellvertreter für einen Menschen stehen. So spricht man von einem Dorf von so und so viel Seelen, oder stellt fest, dass keine Seele, also kein Mensch, zu sehen ist. Legt man für jemanden die Hand ins Feuer, steht man für ihn ein. Die Herkunft dieser Redewendung erinnert deutlich an ein Gottesurteil.

Sprecherin: An diesem Tag beherbergt Stefan Kalscheuer acht Hunde in seiner Pension. Davon befinden sich etwa vier in einem eigenen Zwinger, die anderen genießen den Auslauf auf einer Wiese. Ein großer, achtzig Kilo wiegender Berghund guckt mit traurigen Augen durch die Gitterstäbe. Sein Herrchen wird ihn nicht mehr abholen, weil es vor einigen Wochen an einem Herzinfarkt gestorben ist. Jetzt bleibt er so lange in der Pension, bis sich ein neuer Besitzer gefunden hat. Aber auch die anderen Hunde gehen in ihrem Käfig auf und ab und warten darauf, bis es Abend wird und sie endlich wieder abgeholt werden. Auch Thomas Mann musste seinen Bauschan häufig alleine lassen.

Sprecher 1: (Ausschnitt aus Thomas Manns "Herr und Hund")

"Noch am Anfang der Allee kann ich ihn sitzen sehen, als kleines, dunkles, ungeschicktes Pünktchen inmitten der Straße, ich besteige die Tram nicht anders als mit Gewissensbissen. Er hat so sehr gewartet, und man weiß doch, wie Warten foltern kann! Sein Leben ist Warten – auf den nächsten Spaziergang ins Freie, und dieses Warten beginnt, wenn er ausgeruht ist von dem letzten Mal. Auch in der Nacht wartet er. Er wartet auf das Erbleichen des Himmels, das Krähen des Hahnes in einer entlegenen Gärtnerei, das Erwachen des Morgenwindes in den Bäumen und darauf, dass der Kücheneingang geöffnet wird, damit er hineinschlüpfen kann, um sich am Herd zu wärmen."

Sprecherin: Viele Menschen kümmern sich so liebevoll um ihren Hund, dass sie mit einem Hundeleben größtenteils nur Positives verbinden. So beneidet Norbert Becker seinen Labrador manchmal für den Hundealltag, frei von Pflichten und unangenehmen Tätigkeiten.

  • O-Ton Norbert Becker: "Eigentlich ein schönes Leben. Manchmal denk ich mir, ich möchte am liebsten mit dem Hund tauschen. Aber natürlich hat man nicht unbedingt diese Freiheiten. Man kann es nicht unbedingt vergleichen. Aber wenn man ein Tier hat, hat man auch eine große Verantwortung, und man muss aufpassen, dass es ihm immer gut geht. Das ist nicht nur medizinisch gesagt, sondern auch psychologisch."
  • O-Ton Stefan Kalscheuer: "Hundeleben – wird negativ gebraucht eigentlich, obwohl viele Hunde ein sehr gutes Leben haben, glaube ich. Es gibt natürlich Hunde, die misshandelt worden sind, vielleicht in der Hinsicht, dass man den Ausspruch anwendet, das ist ein Hundeleben."

Sprecher 2: Mit Hundeleben ist etwas anderes gemeint, als es der Inhaber der Hundepension Stefan Kalscheuer vermutet. Die negative Bedeutung des Wortes Hundeleben geht zurück auf geringen Wert des Hundes, der die Wendung seit alters her zur Negativmetapher für Menschen des untersten Standes machte; Menschen, die in bitterster Armut ein Hundeleben führten wurden nicht selten verächtlich als Hunde beschimpft.

Auf dieses Hundeleben spielt auch Goethe im Faust an, wenn er ihn sagen lässt: "Es möcht´ kein Hund so länger leben." Gleiches meint Günter Grass mit dem Titel seines Romans "Hundejahre".

Aus der verächtlichen Bedeutung, die dem Hund anhaftet, erklären sich auch die zahlreichen umgangssprachlichen Adjektive, bei denen das Wort Hund zu einer bedeutungssteigernden Vorsilbe geworden ist: jemand ist hundemüde, hundsgemein; ihm ist hundeübel, hundeelend. Ebenso verstärkt in zusammengesetzten Substantiven das Bestimmungswort Hund die Bedeutung, etwa in Hundewetter, Hundekälte, Hundearbeit.

Sprecherin: Unter den vielen Hunden, die Stefan Kalscheuer regelmäßig in seiner Pension betreut, hat er natürlich auch einige Lieblinge. Grundsätzlich jedoch nimmt er jede Hunderasse auf, auch Kampfhunde. Voraussetzung allerdings ist, dass sie sich nicht zu aggressiv verhalten und auch gehorchen können.

  • O-Ton Stefan Kalscheuer: "Es gibt Hunde, mit denen wird man also nicht so richtig warm. Das sind Hunde, denen der Mensch ein bisschen egal ist, und es gibt eben andere Hunde, die sind eher menschenbezogen. Ich hab viele Stammkunden in meiner Kundschaft, und man entwickelt eine ganz persönliche Beziehung dazu. Man freut sich auch, wenn der Hund wieder da ist, und es ist auch immer ein schönes Erlebnis, wenn man sieht, dass es Hunde gibt, die gerne hierhin kommen."

Sprecher 2: Wird man mit einer Sache warm, findet man Gefallen an ihr. Kann man hingegen mit jemandem nicht warm werden, kommt keine Nähe zu ihm auf, es gelingt nicht, mit ihm vertraut zu werden. Ist man an einem Ort nicht warm geworden, fühlt man sich dort nicht heimisch. Hält man sich jemanden warm, pflegt man bewusst eine gute Beziehung zu ihm, zumeist weil man sich einen persönlichen Vorteil verspricht.

Sprecherin: Trotz einiger Vorsichtsmaßnahmen ist Stefan Kalscheuer schon häufiger von Hunden, die er in seiner Pension aufgenommen hat, gebissen worden. Ein Schäferhund könne mit seinen Zähnen sogar ein ganzes Schaf zerfetzen, wenn er wollte, erzählt Stefan Kalscheuer.

  • O-Ton Stefan Kalscheuer: "Wenn Fremde hier sind oder auch, wenn neue Hunde kommen, dann wird erst mal Alarm geschlagen. Ist ganz normal." / "Hunde, die bellen, beißen nicht?" / "Nee, möchte ich nicht sagen. Also, es gibt auch Hunde, die bellen und beißen."

Sprecher 2: Die sprichwörtlichen Hunde, die zwar laut bellen, aber nicht beißen, verbildlichen Menschen, die zwar drohen, dem aber nichts folgen lassen.

Sprecherin: Caruso, der Labrador von Norbert Becker, begrüßt Stefan Kalscheuer morgens mit wedelndem Schwanz. Als Zeichen der Freude springt er auch manchmal an ihm hoch und jault kaum, wenn sein Herrchen ihn für acht Stunden verlässt, um arbeiten zu gehen.

  • O-Ton Norbert Becker: "Er hört auch sehr gut. Sie sehen ja auch, wie brav er ist. Er liegt Ihnen gleich zu Füßen."

Sprecher 2: Legt sich ein Tier – wie hier der Hund- zu Füßen seines Herrn, beweist er seine Unterordnung. Auch im Brauchtum sozialer wie politischer Hierarchie gibt es den Knie- oder Fußfall als Zeichen der Unterwerfung. Rund um den Fuß gibt es eine Fülle von Redewendungen. So kann man mit jemandem auf gespanntem Fuße stehen oder über den Fuß gespannt sein, das heißt sich in schlechtem Einvernehmen befinden. In jüngerer Zeit ist die Redensart durch die bildlich verblasste Formel mit jemandem auf gutem oder schlechtem Fuße stehen ersetzt worden. Lebt jemand auf großem Fuß oder hat scherzhaft eine große Schuhnummer, macht er viel Aufwand und führt einen aufwendigen Lebensstil. Diese Redewendung ist im Mittelalter in Frankreich entstanden und geht zurück auf den Grafen von Anjou, der sich im 12. Jahrhundert Schuhe mit sehr langen Spitzen machen ließ, um eine Geschwulst zu verbergen. Da er allgemein ein Vorbild für Eleganz war, wollte jeder so große Schuhe tragen wie er. Mit beiden Füßen auf dem Boden steht jemand, der realistisch denkt und handelt. Wer kalte Füße hat, hat kein Geld. Wer kalte Füße bekommt, hat Angst.

Sprecherin: Auch wir müssen unser Vorhaben, aus mehreren Hundeleben zu berichten, nun beenden und überlassen es Thomas Mann, sich für heute von den Vierbeinern zu verabschieden.

Sprecher 1: Oben vor der Haustür wende ich mich dann wohl noch einmal nach ihm um, und das ist das Zeichen für ihn, in zwei großen Sätzen über die Stufen zu mir heraufzuspringen, und mit den Vorderpfoten an der Haustür hinaufzugehen, sich hoch daran aufzurichten, damit ich ihm zum Abschied die Schulter klopfe. ´Morgen wieder, Bauschaun", sage ich, ´falls ich nicht in die Welt gehen muss.´ Und dann spute ich mich, hineinzukommen, und meine Nagelschuhe loszuwerden, denn die Suppe steht auf dem Tisch."

Antje Allroggen

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