Cornelias Stenull | www.dw-world.de | © Deutsche Welle.
Alltagsdeutsch (02/04) 13.01.2004 "Hauptbahnhof"

Hauptbahnhof
Sprecherin:
Im Herzen der Stadt, gleich neben dem berühmten Kölner Dom, befindet sich der Hauptbahnhof. Steht man vor dem Haupteingang, kann man durch eine große Glasfront in das Innere des Bahnhofs schauen. Man sieht allerdings noch keine Züge. Was den Besucher erwartet, schildert uns Friedel Garms, Service-Chef des Kölner Hauptbahnhofes.
- O-Ton: Friedel Garms
"Wenn man rein kommt, hat man den Service-Point. Das ist der Empfang des Kunden, das heißt, jeder Kunde, der sich nicht auskennt, kann ran gehen, kann kurz fragen, ihm wird geholfen, kann Geld hinterlegen oder Briefe für Angehörige. Wir rufen auch aus."
Sprecher:
Das erste, was man sieht, wenn man den Bahnhof betritt, ist der Service-Point. Das ist die englische Bezeichnung für die Informationsstelle. Point heißt übersetzt Punkt, also eine Art Treffpunkt für alle, die irgendwelche Fragen haben. Wenn Herr Garms von Kunden spricht, meint er damit die Gäste, die in den Bahnhof kommen. Das können Leute sein, die mit dem Zug wegfahren oder ihre Freunde oder Familie vom Zug abholen. Das Wort Kunde stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet der Bekannte. Früher bezeichnete man Kunden vor allem als Wirtshauskunden. Denn wenn sich die Leute häufig in einem Wirtshaus oder einer Gaststätte trafen, waren sie dem Wirt nach einiger Zeit gut bekannt.
Sprecherin:
Links vom Service-Point trifft man auf einen anderen wichtigen Ort im Bahnhof: das Reisezentrum. Hier können Fahrkarten gekauft und Plätze reserviert werden. Manfred Utsch, der stellvertretende Leiter des Reisezentrums, zählt die Angebote auf:
- O-Ton: Manfred Utsch
"Wir haben einmal den Express-Verkauf, wo der Kunde ohne Reservierung, ohne große Fahrplan-Auskunft ein Ticket bekommt. Als zweites haben wir diese Universalschalter, wo der Kunde intensive Beratung mit einem Verkaufsgespräch bekommt. Als drittes haben wir im Reisezentrum noch diese zwei Counter DB-Reisebüro, wo der Kunde alle touristischen Leistungen, im Endeffekt Flüge, Hotelbuchungen, Unterkünfte in jegliche Destinationen, die wir mit unseren Partnern anbieten, buchen kann."
Sprecher:
Wenn Herr Utsch von Counter spricht, meint er damit die verschiedenen Schalter, an denen die Fahrkarten gekauft oder auch wieder zurück gegeben werden können. Counter kommt aus dem Englischen und war bisher die allgemeine Bezeichnung für die Ticketschalter an Flughäfen. Ein spezieller Schalter ist das DB-Reisebüro, wobei DB als Abkürzung für Deutsche Bahn steht. Ein anderer Schalter nennt sich Express-Verkauf. Dort gibt es keine langen Wartezeiten, denn das Wort Express bedeutet schnell oder eilig. Ganz schnell bekommt man da sein Ticket, seine Fahrkarte, für jegliche Destinationen, womit die Reiseziele gemeint sind. Ursprünglich bedeutet Destination Bestimmung oder Endzweck, was wiederum auf das Verb destinieren, also bestimmen zurück geht.
Sprecherin:
Glück gehabt, wenn man seinen Zug bekommt. Aber manchmal hat man auch Pech, dann ist der Zug schon weg. Was es mit der Redewendung der Zug ist abgefahren auf sich hat, erklärt uns Monika Braun-Gerhards von der Bahnhofsmission:
- O-Ton: Monika Braun-Gerhards
"Also, ich denke, das ist beim Großteil unserer Klienten so, dass der Zug schon abgefahren ist. Also nicht, wieder nicht der Zug vom Bahnsteig, sondern wirklich der Zug in deren Leben, wo´s hin geht, was kann ich machen, was hab ich für Möglichkeiten. Da ist für viele wirklich Endstation oder ist schon alles gelaufen, der Zug ist schon weg."
Sprecher:
Als Klienten wurden früher Menschen bezeichnet, die abhängig von einem Herren waren, der ihnen Arbeit gegeben hat. Heute sprechen zum Beispiel Anwälte von ihren Klienten. Frau Braun-Gerhards nennt die Menschen, die zu ihr in die Bahnhofsmission kommen, ebenfalls Klienten, denn sie kümmert sich um sie.
- O-Ton: Monika Braun-Gerhards
"Die Bahnhofsmission ist im Prinzip eine Anlaufstelle für Menschen, für alle Menschen. Also, für jeden, der ein, irgendeine Art von Problem hat. Der kann zu uns kommen. Wir stellen keine Bedingungen. Wir sind also sozusagen ´ne niedrigschwellige Einrichtung. Das heißt, hier kann jeder rein kommen, er muss seinen Namen nicht sagen, außer nachts, das ist aus Sicherheitsgründen."
Sprecherin:
In Deutschland gibt es die sogenannte Bahnhofsmission auf allen großen Bahnhöfen. Sie wurde bereits vor über hundert Jahren von der katholischen und evangelischen Kirche gegründet. Der Hintergrund war damals, eine Stelle für Mädchen einzurichten, die vom Land in die große Stadt kamen. Ihnen wurde geholfen, eine Arbeit oder eine Wohnung zu finden. Heute werden vor allem Wohnungslose, Leute die allein reisen, Behinderte, alte Menschen aber auch psychisch Kranke betreut. Manche kommen aber auch nur vorbei, um einen Kaffee zu trinken, den es dort umsonst gibt, oder um ein bisschen zu reden.
- O-Ton: Frau Braun-Gerhards
"Und es ist einfach ein Anziehungspunkt für Leute jeglicher Art. Also nicht nur für Reisende, sondern diese ganzen Randgruppen. Man sagt immer so, der Bahnhof ist so ´ne Welt für sich und da zeigt sich eigentlich auch immer, was so in der Gesellschaft sich abspielt."
Sprecher:
Wirklich jeder kann in die Bahnhofsmission kommen, auch Menschen aus den eben erwähnten Randgruppen. Als Randgruppe wird eine Gruppe von Menschen bezeichnet, die aus irgendeinem Grund am Rande der Gesellschaft steht. Diese Menschen unterscheiden sich von den sogenannten Normalen darin, dass sie zum Beispiel keine Arbeit oder keine Wohnung haben oder auffallen, weil sie behindert sind. Jeder Normale kann sich aber auch ganz schnell, vielleicht durch ein persönliches Schicksal oder einen Unfall, plötzlich in einer Randgruppe wiederfinden. Der Ausdruck eine Welt für sich bedeutet, dass etwas in sich abgeschlossen und nach Außen abgegrenzt ist. In dieser Welt herrschen auch eigene Regeln.
Sprecherin:
Viele Jugendgruppen leben in ihrer eigenen Welt, haben ihre eigenen Regeln und eigene Ansichten. Layla zum Beispiel gehört zu einer bestimmen Gruppe, die sich jeden Tag am Bahnhof, vor dem Haupteingang trifft. Er erklärt uns, warum gerade hier:
- O-Ton: Layla
"Ja, auf jeden Fall, erstens ist der Bahnhof zentral und man kriegt immer die neuesten Mitglieder seiner Subkultur, fängt man dann direkt am Bahnhof ab und lernt die neuesten Leute direkt hier kennen."
Sprecher:
Wenn Leyla von seiner Subkultur spricht, meint er die Punkrocker, zu denen er sich zählt. Punkrocker oder Punks sind Mitglieder einer Jugendbewegung, die bereits in den siebziger Jahren in Großbritannien entstand. Mit ihrem Aussehen, ihrer Lebensweise und der Musik, die sie hören, protestieren sie gegen die bürgerlichen Normen der Gesellschaft, was oft auf Ablehnung stößt. Im Allgemeinen handelt es sich bei einer Subkultur um eine geschlossene Gruppe, die meistens absichtlich im Gegensatz zur vorherrschenden Kultur oder Gesellschaft steht. Die Vorsilbe sub stammt aus dem Lateinischen und bedeutet unter, eben unter oder unterhalb einer übergeordneten Kultur.
Sprecherin:
Gehen wir zurück in den Hauptbahnhof. Geradeaus am Service-Point vorbei, kommen wir zu der sogenannten Markthalle. Dort befinden sich viele Geschäfte, in denen man alles kaufen kann, was man zum Leben braucht. Für das leibliche Wohl wird besonders gut gesorgt. Zwischen Cafés und Kneipen findet man alles Mögliche zu Essen. Von türkischen, spanischen, chinesischen bis zu bayrischen Spezialitäten gibt es dort alles, was das Herz oder der Bauch begehrt. Die Geschäfte haben jeden Tag, also auch am Wochenende, ab sechs Uhr dreißig geöffnet, was für viele Reisende ein großer Vorteil ist. Ina Hewing, eine Mitarbeiterin in der Bahnhofsapotheke, ist begeistert von diesem großen Angebot.
- O-Ton: Ina Hewing
"Ich find toll, dass eben gerade die Pendler hier viel erledigen können, Sachen eben wie Apotheke, wie Reinigung, Supermarkt. Alles das, was man eben sonst im Zweifel im, ich sag mal Dorf, Heimatdorf, gar nicht mehr erledigen kann, weil morgens noch die Geschäfte geschlossen sind und abends schon wieder bereits alles zu ist."
Sprecher:
Pendler gibt es auf Bahnhöfen viele. Das sind Personen, die täglich mit dem Zug zwischen ihrer Arbeitsstelle und ihrem Wohnort hin und her fahren. Der Ausdruck Pendler ist von dem lateinischen Wort pendulum abgeleitet, was Schwinggewicht heißt. Schwinggewichte hängen zum Beispiel an Standuhren. Dort pendeln sie im Sekundentakt von einer Seite zur anderen.
Sprecherin:
Was auf einem Bahnhof auch nicht fehlen darf, ist ein Geschäft, in dem man seine Reiselektüre kaufen kann. Denn nichts ist langweiliger als eine lange Zugfahrt, auf der man nichts zu lesen hat. Im Kölner Hauptbahnhof gibt es allein drei Buch- oder Zeitschriftenläden. Annette Lux, eine Angestellte, erzählt, was es zwischen den Bücherregalen noch alles zu finden gibt:
- O-Ton: Annette Lux
"Es gibt sehr viel Presse, deutsche und internationale Presse. Es gibt Bücher, Unterhaltung, Krimis. Und dann haben wir natürlich auch ein paar Sachen, die man so für den Reisebedarf, zum Beispiel Kulis und ein paar Briefumschläge, aber auch Brillen, die man zusammen klappen kann, wenn man seine Brille vergessen hat."
Sprecher:
Das ist schon ein besonders großes Angebot, was dieser Buchladen zu bieten hat. Natürlich darf die Presse nicht fehlen. Mit Presse sind Zeitungen und Zeitschriften gemeint. Das Wort Presse stammt von dem lateinischen Wort premere, was übersetzt drücken oder pressen heißt. Das Werkzeug mit dem früher die Bücher und Zeitungen gemacht wurden, ist die Buchdruckerpresse. Sehr beliebt bei Reisenden sind neben Zeitungen auch Krimis. Krimi ist die Abkürzung für Kriminalroman und da geht es um Verbrechen, Mord und Totschlag, um spannende Lektüre für eine lange Zugfahrt. Wer im Zug nicht lesen möchte, sondern etwas schreiben will, der kann das mit einem Kuli tun. Kuli ist die Kurzform für Kugelschreiber. Dieses Schreibutensil wurde von einem Hamburger Kaufmann bereits 1928 erfunden und hieß damals noch Tintenkuli.
Sprecherin:
Manchmal muss man beim Umsteigen lange auf seinen Anschlusszug warten. Da ist es ganz normal, wenn einen irgendwann die Blase drückt und man schleunigst eine Toilette aufsuchen muss.
Sprecherin:
Die Toilette im Kölner Hauptbahnhof befindet sich direkt hinter der Markthalle und trägt den Namen Mc Clean. Karl-Wilhelm kümmert sich dort um die Besucher und sorgt dafür, dass alles sauber ist. Die Toiletten und Duschen werden von den Mitarbeitern ständig gereinigt - und das hat seinen Preis.
- O-Ton: Karl-Wilhelm
"Kabinen kosten zwei Mark und Urinal für Herren eine Mark. Duschen zehn Mark. Da bekommen Sie zwei Handtücher gestellt und zwei Schampoos. Und von uns kriegen Sie dann auch noch den Haartrockner geliehen."
Sprecher:
Wer auf der Toilette in Ruhe sein Geschäft erledigen möchte, der geht in eine Kabine. Das ist die Bezeichnung für einen kleinen Raum mit abschließbarer Tür. Als Kabinen werden aber auch Umkleideräume in Schwimmbäder oder Schlafräume auf Passagierschiffen bezeichnet. Speziell für Männer gibt es noch eine andere Variante: das Urinal. Urinal ist der Fachausdruck für die Herrentoilette, die an der Wand befestigt ist. Dort können die Herren im Stehen pinkeln und sich nebenbei noch unterhalten. Das Wort Urinal leitet sich von dem lateinischen Wort urina ab, was übersetzt Harn bedeutet. Harn oder Urin heißt wiederum die Flüssigkeit, die wir ausscheiden, wenn wir auf die Toilette gehen.
Sprecherin:
Verlassen wir die Markthalle und gehen ein Stockwerk nach oben, stehen wir auf einem der elf Bahnsteige. Denn, man glaubt es kaum, hier fahren auch Züge.
An Gleis fünf und sechs halten Züge, die Richtung Süden weiter fahren. Dort arbeitet Marco Frangot. Er ist für den reibungslosen Ablauf des Zugverkehrs zuständig. Diese Aufgabe ist nicht immer einfach, denn immerhin fahren täglich 1500 Züge durch den Kölner Hauptbahnhof.
- O-Ton: Marco Frangot
"Ja, ich bin also hier als Verkehrsaufsicht eingesetzt, auf allen Bahnsteigen. Unsere Aufgabe ist hier, neben der Kundenbetreuung, eben die Abfahrt der Züge. Bei Unregelmäßigkeiten mit zu arbeiten, Umleitungsaufträge und so weiter. Information der Reisenden, Service auch vor Ort."
Sprecher:
Als Unregelmäßigkeit bezeichnet Herr Frangot die Verspätung von Zügen. Denn leider müssen die Fahrgäste manchmal mit solchen Unregelmäßigkeiten rechnen,
- O-Ton: Mann am Gleis
"Heute Morgen zum Beispiel hatte er Verspätung, gestern Morgen Verspätung und im Moment sieht es auch nach Verspätung aus."
Sprecherin:
Wenn ein Zug Verspätung hat, werden die Reisenden über Lautsprecher darüber informiert. Nur kann man diese Durchsagen manchmal kaum verstehen. Die Redewendung ich versteh nur Bahnhof hat damit allerdings nichts zu tun.
- O-Ton: Frau vor dem Bahnhof
"Also, wenn einer sagt, ich versteh nur Bahnhof, dann hat er also den Kontext oder so, was der andere einem sagen wollte, nicht verstanden."
Sprecher:
Der Kontext ist das, was um den eigentlichen Text herum steht. Er ist eine inhaltliche Ergänzung zu dem, was eigentlich gesagt wurde und verstanden werden soll. Oft wird auch von dem sozialen Kontext gesprochen. Damit ist das soziale Umfeld einer Person gemeint, also Familie, Beruf oder der Wohnort.
Sprecherin:
Wir sind nun am Ende mit unserem Rundgang durch den Kölner Hauptbahnhof angelangt. Sie werden festgestellt haben, dass es ein ziemlich großer Bahnhof ist, wo sich viele Menschen aufhalten. Die Redewendung einen großen Bahnhof machen wollen wir uns nun, zum Schluss, erläutern lassen:
- O-Ton: Mann am Gleis
"Einen großen Aufwand betreiben. Für ein Fest einen größeren Aufwand betreiben oder für einen Empfang. Gibt eben große Bahnhöfe und kleine Bahnhöfe und ein großer Bahnhof ist eben ein großer Aufwand, viele Leute und viel los."
Cornelias Stenull | www.dw-world.de | © Deutsche Welle.